Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
Vom Netzwerk:
Glück, dachte er, hat sie’s unbeschadet überstanden. (Hatte sie, wie sich herausstellen sollte. Rutschaufprall aus schwacher Höhe.) Keine Ahnung, wie lang er an dem Ding herumputzte, wie lang er herumstand und seine Knochen nachzählte. Niemand kam in den Hof, weder von der Reeperbahn her noch aus der Ritze .
    Unvermittelt wich Onnos Schocksteife weichen Knien. Unruhe. Von innen drohte der Urbaß nach dem Rechten zu sehen, von außen – ja, was wenn Rübezahl zurückkehrt? Bloß weg hier. Oder? Was erwartet ihn draußen? Unschlüssig spähte er nach spiegelndem Verhalten von Passanten aus, dahinten, außerhalb des Hofs, im bunten Nachtlicht der Reeperbahn. Schielte schließlich in die Gegenrichtung. Die rote Filzportiere erlaubte ein Drittel Einblick in die Gebärmutter. Kegel von Lampenlicht, erleuchtete Qualmwolken, helles Tischresopal, Bierglas mit Neige, gerahmte Fotos als Wandschmuck dicht an dicht.
    Dann füllte den Spalt eine Gestalt mit eingezogenem Kopf. »Au Mann«, ein nervöses Knurren. »Zagen keine Möge mehr. Keine Möge mehr, Alter.« Zu niemandem. Zu sich selbst.
    Onno horchte auf. Hatte er recht gehört? Er hörte ja oft nicht recht. Jedoch … Die Länge kam hin.
    Hoch aufgeschossen und bleich – auch die Frisur à la Lauchzwiebel –, watete der Mann übers finstere Hofpflaster. Jeder Schritt mit der fatalistischen Gelassenheit des Alkoholikers, doch daß er auf der Hut war, merkte man blind. Angestrengt spähte er nach dem Portal. Auch er schien Befürchtungen zu hegen. Auch er nahm Onno im Schlagschatten des toten Winkels zunächst nicht wahr. Sanft schwankend drehte er sich nach der Eingangstür der Ritze um, spähte dann wieder Richtung Reeperbahn. Blieb stehen. Hielt plötzlich etwas in der Hand, aus dem er etwas zottelte, das immer länger wurde, bis es das Ausmaß einer Pall Mall erreicht hatte. Zündete sich die mit dem Daumen an wie Stan Laurel.
    »Hein Dattel«, sagte Onno fast zärtlich. Fügte hinzu: »Albert. Albert Loy.« Xerographisch, sein Namensgedächtnis. Wenn er das Raimund erzählt.
    Der Lulatsch fuhr zusammen und starrte Onno an.
    »Onno«, sagte Onno. »Onno Viets.«
    »Onno«, sagte der Lulatsch, im Zuge der Entspannung sanft schwankend. »Onno Viets. Walbein hundertelf. Kniechen, Näschen, Öhrchen. Goldene Delicious. Wie geht’s, Mensch.«
    »Och, mich hat grad’ ’ne Hully-Gully-Gondel gerammt«, sagte Onno. »Aber sonst … prima. Wirwollen alleprima lebenund sparen… Nech? Und selber?«
    »Blendend«, sagte der Lulatsch. »Könnte sozagen Häuser und Kirchen anzünden.« Ein Grinsen bahnte sich seinen Weg durch die Tundra des Teints. Dann sagte er: »Hully-Gully- … Ach du Schande. Du warst ihm im Weg?« Machte einen Schritt vorwärts, um Onnos Gesicht inspizieren zu können.
    »Mm?« Onno war sich noch nicht so ganz sicher, worüber sie eigentlich redeten. Nie zu spät aufgeben – klar. Auf keinen Fall aber zu früh.
    Und siehste. »Onno Viets«, sagte Albert Loy. Drei, vier Sekunden schwankte er wie ein Rohr im Wind. »Ich fass’ es nicht, zagen. Wie wär’s mit’m Glas Scheiseal, Hauptsache dreifach?«
    [14]
    Nach wie vor Donnerstag, 22.   April. Inzwischen kurz vor 22:00 Uhr. Roswitha Bar in der Showbar Hammonia .
    Für St. Pauli war’s noch früh am Abend, und obschon im Erdgeschoß gerade ein Container V-GIRLS – Touristen gelöscht wurde (im Vestibül zum Saal, wo, allerdings ohne Aufzeichnung, seit drei Jahrzehnten coitus coram publico gegeben wurde), ergatterten Onno und Loy in der Bar im ersten Stock die komfortabelsten Hocker in der verschwiegensten Thekennische. Loy wählte den hinteren. Setzte sich drauf, und indes Onno seinen erklomm, lieferte Loy die Begründung für seine Lokalwahl raunend nach: »Die Hammonia gehört nämlich sozagen zu Leos Beritt. Höchst unwahrscheinlich sozagen, daß Händchen hier auftaucht.«
    Onno hatte Bedenken angemeldet, sich in dieselbe Himmelsrichtung wie der Hüne zu bewegen, doch Loy behauptete zu wissen, was er tat. Während des einminütigen Fußmarschs durch Gedränge, Verkehrsgetöse und Kannibalengesänge einer Hooligan-Abordnung von Turbine Torfwurz hatte Onno das Gespräch natürlich längst vergessen. Weshalb er nun, untypisch aufgekratzt vor lauter Ambiente und posttraumatischem Streß, fragte: »Leo Speritt? Welcher Leo Speritt? Und welches Hemdchen?«
    »Sßßßßß…!« Loy hielt Onno die flatternde Rückhand vors Gesicht. Schielte heftig um sich. Geriet dabei fast ins Trudeln auf

Weitere Kostenlose Bücher