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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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gleich noch, mit zugehaltener Nase: »Dreihundert Meter, mittlere Fahrspur.«
    Grüne Welle. Der Taxifahrer wählte nicht die Kennedy-, sondern die Lombardsbrücke. Weiter durch die Esplanade. Die Ampel am Spielcasino war rot. Mit Strahlern effektvoll ausgeleuchtet die klassizistischen Fassaden. Weiter, Planten un Blomen rechts liegen lassen. Grellgrün glühen die Ampeln im schwarzen Grün der Baumkronen. Über Gorch-Fock- und Holstenwall bis an den Millerntordamm. Da rechts rein. Gleich wieder links, übern Millerntorplatz – und rauf auf die Reeperbahn.
    St. Paulis Hauptschlagader. Vom Millern- bis zum Nobistor ein rund neunhundert Meter langer Stent für impotente Phantasten. Zwei Fahrspuren runter, zwei rauf, ein Trottoir hin, eins her. Weltberüchtigter Fummelbummelrummel rund um die Uhr. Sündenpfuhl. Bordsteinweise Evas mit glänzenden Äpfeln, wo der Wurm drin ist. Babel, Babel, hier ist Babel. Hier schreibt sich SEX mit drei X. Hier bist du Schwein, hier darfst du’s sein. Hier wird ge piep t, bis die Englein singen. Die Nacht ist dein, dein Leben ein Fest, und die Saaltore leuchten in Rot, in Gelb und einem derartigen Blau, daß es Schatten auf den Gehsteig wirft. Schilder so groß, so groß ist kein Gott, so hell kein Mond, so laut keine Flüstertüte: REINKOMMEN! MAUL HALTEN! KOHLE HER! Doch in deinen Ohren klingt’s wie wilde Lyrik: SCHEISS AUF DIE HEUER! ABENTEUER! NEURONENFEUER!
    Keine ganz einfache Aktion da am Millerntorplatz, der Wechsel quer über mehrere Spuren. Hier drängte sich der Verkehr, und Onno mußte zwei, nein drei Fahrzeuge zwischen seines und Fionas Droschke lassen.
    Doch stellte sich das als günstig heraus, denn nach nur einer halben Minute Weiterfahrt stieß das Taxi in eine Parklücke auf dem bordsteinlosen parallelen Standstreifen an der Reeperbahn. So hatte Onno Zeit genug, in eine vorher gelegene einzubiegen, gleich nach’m Café Keese. Mit zwei Autos Puffer. Direkt vor Onno eine Art Rennwagen, flach, breit, dunkel. Ferrari. Maserati. Lamborghini. So was. Dahinter eine hochbeinige Geländelimousine.
    Über die Loddelschleuder hinweg und durch die Fenster des SUV konnte Onno sehen, wie Fiona telefonierte. Die Eingangsbeleuchtung des Etablissements, vor dem ihr Taxi hielt, versorgte dessen Fond mit. Offenbar trug sie Handschuhe, vielleicht so seidene, ellenlange. Sie telefonierte, und schaute sich immer wieder um. Onno, der grad zum Fernglas greifen wollte, unterließ es. Ist er aufgeplatzt oder was? Falls ja, wie das oder was? Nee. Nich.
    Onno drückte auf den Fenstersenkerknopf. Geknebelte Blondine. Versuchte es auf der Beifahrerseite, wo es – funktionierte. Hä? Na, wie auch immer. Ungefiltert nun, strömte Verkehrslärm herein. Sowie das Gehudel eines Grüppchens von Wanderklamotten tragenden Sixtysomethings, in (wetten?) Brustbeuteln hütend die jeweilige Jahresdividende der Ausflugskasse vom Tretbootverein zu Kuckucksau am Essigsee.
    Und dann bemerkte Onno, vor welchem Laden er gelandet war, und alle seine Sünden der achtziger Jahre fielen ihm wieder ein. Er hatte ihn nicht sofort wiedererkannt, weil heutzutage ein Vorgehege aus Sukkulententrögen, mit Whiskeyfässern als Eckpfeilern, ein paar Gartenmöbel einfaßte samt zwei Marktschirmen. Oberhalb von deren gestauchten Pyramiden aus roter Plane mit Astra-Aufdruck war der Paillettenschriftzug Lehmitz erkennbar. Unterhalb entströmte – frostig, irrsinnig – eine hellgrüne Lichtdroge der Glasfront.
    In genau diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und mit zweieinhalb Schritten den Biergarten querend, trat, Handy am Ohr, ein gewaltiger junger Hüne heraus. Sein Gang entbehrte jeglicher Kraftmeierei; vielmehr handelte es sich um das perfekte Caminar eines Killertangos, voll der Laszivität illegaler Macht. » Wo denn!« sagte er, den Blick Richtung Millerntor wendend. Nicht laut, er unterbot den aus der Kneipe schallenden Rocksong. Just a man and his will to survive  … Doch sein kehliger Tenor, erkennbar von Intelligenz timbriert, drang mühelos durch.
    Onnos Nackenflaum knisterte. Tarnkappe auf. Kein Mucks. Hanebüchen deutlich wurde Onno sich plötzlich der lächerlich geringen Dicke von Fahrzeugblech bewußt. Kein Zweifel, dieser Bursche da würde seine Fordnuß ggf. zerquetschen wie der Seewolf die rohe Kartoffel. Samt Kern. Erst mit leichtsinniger Verzögerung wandte Onno den Blick ab, senkte ihn fast zu spät.
    Dafür hatte er den Koloß fürs erste erfaßt: grobianisch hübsch; nicht schwarzes, doch

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