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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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Siebenmeilenschritten überbrückte – barfuß, die Bauchmuskeln definiert –, starrte er Onno, ohne ein einziges Mal zu blinzeln, entgegen wie ein Boxer beim Stare down, düsteräugig schweigend, voller brenzliger Aufmerksamkeit – tödlicher Feierlichkeit.
    Onno tat, was er am besten konnte: gütig grinsen. Er stand auf, sagte »Hallo!« und streckte ihm die Hand entgegen.
    Der jedoch stützte die Hände auf die Hüften. Blaffte einen Ghettoakkord. »Was das deeenn. Geht gaa nich. Geht gaa nich.«
    Onno drehte die ausgestreckte, verweigerte Hand um ein Viertel, so daß sie nun fragend offen daschwebte.
    »Die schwule Töle da, Digger.« Händchen nickte in Richtung auf Onnos Tätowierung. Machte sich nicht die Mühe, einen Finger zu heben. »Die schwule Töle da.« Indem die Wiederholung nicht eskalierte, ebnete sie den herrischen Klang ein. Und entweder hatte der Typ Lupen statt Augen, oder Fiona hatte ihn gewarschaut.
    »Was? Ach so. Roderich Erasmus.« Onno schielte auf seinen eigenen rechten Oberarm, und die ruralen Rs schnurrten wie Windrädchen. Er zuckte mit derselben Schulter. Drehte die Hand wieder schüttelbereit. »Verlorene Wette anno neun’n’sechzig. ’ch, ’ch, ’ch.«
    Güte, Unerschrockenheit, Selbstbewußtsein und – ironie – war es das, was Händchen charmierte? Vermutlich das übliche Viets’sche Charisma. Zudem war es höchst wahrscheinlich, daß er sich eines hübschen Kranzes Vorschußlorbeeren erfreuen konnte, den Fiona ihm geflochten.
    Tetropov entlarvte sein Spackengehabe selbst. Sogleich zeigte er ein kraftstrotzendes, doch zivilisiertes Lächeln mit aufrechten, scharfen Grübchen. Ähnlich mühelos, das sollte Onno nach und nach bemerken, wechselte er die Sprachebenen, ja mischte sie. Je nach Bedarf vermochte er von Ghettojargon in bürgerlichen Code zu gleiten; von rotzigem Aalkooger Breitspurdialekt ins nachgerade Hannoveranische. Gangster sind höflich. Zumindest unter Gangstern.
    »Tibor«, sagte er nun. Wechselte einen kleinen Gegenstand, wahrscheinlich die Nadel, von der rechten Hand in die linke. Ergriff Onnos Hand jedoch keineswegs zum Bürgergruß. Klatschte sie vielmehr lässig an den Fingern ab, fing sie umgehend wieder ein und funktionierte sie zum Spielball einer jener komplexen Respektsgebärden in der Subkultur um.
    Irritiert, ob das jetzt noch zur Ironiesphäre gehörte, stotterte Onno: »On   –   to.«
    »Wie?« sagte Händchen.
    »Otto«, setzte Onno neu an. »So heiß’ ich.«
    »Eben, Diggär.« Er glitt zurück in Soziolekt. In dem er sich offenkundig am wohlsten fühlte. In den er Onno freundlich einbezog, und in dem er künftig meistens mit Onno sprechen sollte. »So hat’s mir Fiona nämlich gesteckt. Ich hab aber Auto verstanden oder so was«, versetzte er – mitsamt einem mehrsilbigen Anhängsel, das Onno nicht auf Anhieb zu entwirren vermochte.
    Beim ersten Mal klang es kaum anders als eine willkürliche Verstrickung von Selbst-, Zwie- und Umlauten mit watte- bis gummiweichen Mitlauten, vom Kettelrhythmus her doppelt so schnell wie der vorangegangene Satz. Ein kurzes Gestammel mit fragender Hebung. Beim zweiten Hören war ein roter Faden zu erkennen. Etwas wie weichmeindiggä? [vaiçmaindigæ] Bedeutete wahrscheinlich ursprünglich einmal so viel wie: »Weißt du, was ich meine, Dicker?« Ein rhetorisches Ornament, das dauerhaft friedliche Absichten signalisierte – und selbst erwartete. »Eben. Ich hab aber Auto verstanden oder so was.« Na gut. Otto. Wie der Komiker. Ob er auch Ostfriese ist?
    Jo.
    Echt? Aus Ostfriesland?
    Jo. Aurich.
    Auha. Sein Onkel hat ihm als Kind immer so Ostfriesenwitze erzählt. Alle vergessen. Erzähl mal einen.
    Du meinst, so einen aus der Zeit, als man mit Ossis noch die Ostfriesen meinte? Nnnjorp … äh … Wie fängt ein Ostfriese Mäuse?
    Keine Ahnung.
    Er jagt sie unter einen Schrank und sägt die Beine ab.
    Genau, Diggär.
    Wie fangen die Ostfriesen Fliegen? Jagen sie auf den Heuboden und ziehen die Leiter weg. Wie viele Ostfriesen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln? Fünf. Einer hält die Birne und vier drehen den Stuhl.
    Nee is’ klar, Diggär.
    Onno erkundigte sich nach der Bewandtnis mit der Nadelübung, und Händchen gab gefällig und ernsthaft Auskunft, wobei er zwischen Ghettosprech und Hochhamburgisch hin- und hersurfte. »Das geht darum, Körper und Geist zu vereinen. Erst, wenn Körper und Geist eine Einheit bilden, kann man solche Höchstleistungen erzielen.« Du mußt die

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