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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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Nadel auf eine Geschwindigkeit von hundertsechzig Stundenkilometern beschleunigen, und sie muß exakt im Neunzig-Grad-Winkel auftreffen, dann geht sie durch. Entscheidend ist, daß der Körper ganz weich bleibt, so daß du die Geschwindigkeit entwickeln kannst. Der Körper muß ganz weich bleiben und dann die ganze Kraft auf einen Punkt konzentrieren.
    »Komma her, Diggär.« Händchen sprang auf und winkte Onno, und Onno erhob sich leutselig. Händchen, beflissener Recke, positionierte sich neben ihn.
    »Versuch mal, die Nadel mit den Fingern einzuklemmen – so –, mit dem Daumen fixieren, mit den andern Fingern halten, ganz locker stehen –«
    Onnos Hand hätte in Händchens zweimal gepaßt. »Den Arm ganz durchstrecken?« Auf der Innenseite von Tibors muskulösem, sehnigem Unterarm entdeckte Onno einen wuchernden Stacheldraht von Narben über einem Mehrstromdelta blauer Adern.
    »Nicht ganz durchstrecken, aber so weit nach vorne wie möglich.«
    »Aua. ’ch, ’ch, ’ch.«
    »Und dann versuchen, die Nadel von ganz hinten nach ganz vorne zu beschleunigen, mit dem ganzen Körper, und zwar schnell – so: hop! Na ja, so ungefähr. Noch mal, weicher. Hop! Njaa – etwas direkter, die Hand; keinen Bogen machen, sondern direkt: hop!«
    Man übt zuallererst auf Karton. Karton ist ja ziemlich weich, da geht ’ne Nadel einfach rein. Wenn die Technik stimmt. Und dann steigert man halt den Schwierigkeitsgrad nach und nach, bis hin zur Glasscheibe.
    Raimund, Edda und ich, wir durften Meister Onno in den vergangenen Jahrzehnten natürlich schon des öfteren bei der ein oder anderen seiner Zuhörorgien (Raimund: »Lauschangriffe«) belauschen und beobachten. Er knipst seine Augen an, brummt beipflichtend, stellt minutiös dosierte Nachfragen und rollt die Rs, daß man als mitteilungsbedürftiges Gegenüber einfach in einen Wonnekoller gerät. In Hypnose. In Trance.
    Binnen Minuten erfuhr Onno – und zwar ähnlich ungeordnet –, daß Händchen nicht nur der Nadelwurf bereits mehrfach geglückt war. Sondern daß er außerdem über das Geheimnis der im sog. Bubishi gelehrten sog. »vergifteten Hand« verfügte: Man muß nur einen bestimmten Vitalpunkt am Körper mit einer genau dosierten Wucht treffen, um eine tödliche Wirkung hervorzurufen – die unter Umständen erst mit wochenlanger Verzögerung eintritt.
    Und daß er bis vor kurzem noch Freefighter war. Härteste Sportart der Welt, Digger. Vollkontakt. Alles erlaubt, außer Beißen.
    Und daß sein größter Lebenstraum darin besteht, eines Tages ins Kloster der Shaolin-Kampfmönche aufgenommen zu werden. Aber eines Tages schafft er das auch, er ist Ratte, im chinesischen Horoskop ist er Ratte, und Ratten schaffen alles, Ratten sind unverwüstlich, Digger. In Kaiserslautern gibt’s eins. Hart da, Digger. Wenn du sagst, ich kann nicht mehr, machst du zur Strafe dreißig Kniebeugen, und dann geht’s weiter. Da ist das schon hart, Digger, aber erst recht in einem japanischen oder chinesischen Kloster. Da läufst du morgens um fünf erst mal zwei Kilometer bis zum Training, die Hälfte davon den Tempelberg rauf.
    »Na ja. Für mich wär’ das hart, ’ch, ’ch, aber … ich mein’, zwei Kilometer ist ja nun nich –«
    Auf den Händen, Digger. Auf den Händen.
    Irgendwann kam Fiona aus der Küche zurück. Erkannte strahlend, daß Daddy auch ihrem Händchen gefiel. Und stürzte sich unverzüglich auf Händchen, um es zurückzuerobern. Um die Verhältnisse zurechtzurücken. Mit Otto meinte sie eine Art lebenden Spiegel erworben zu haben, einen altmodischen, schmeichelhaften, gemütlichen Spiegel mit Plüschrahmen für ihre Wellness-Ecke. Zwar glaubte sie, ihr sei ein großes Herz eigen, und hatte daher nichts dagegen, daß auch Händchen den ein oder anderen Blick hineinwerfe. Doch obwohl sie die Geschichte von Narziß gar nicht kannte, hatte sie sie schon früh verstanden, und so wurde sie vorsichtshalber handgreiflich.
    Verlegen hockte Onno auf dem Nebensessel, nippte an seiner Cola und sah schielend von rückwärts zu, wie Fiona sich einen von Händchens weißbehosten Oberschenkeln zwischen ihre nackten Oberschenkel klemmte und in Zeitlupe ein, zwei Reitbewegungen andeutete, während sie sich in Händchens Haar verkrallte, um ihm ihre Zunge ins Ohr zu stecken. Nicht eben geräuschlos. Händchens Hände hatten auf ihrem Rücken gerade eben Platz genug.
    Ach du Schande, dachte Onno. Die wollen Publikum.
    Und tatsächlich, als sie abstieg, wandte sie sich zu

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