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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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Onno um und sagte: »Sorry du, aber das mußte jetzt mal sein. Hallo? Gleich am zweiten Tag drei Stunden lang verschwinden? Wie schräg ist das denn! Geht ja wohl gar nicht!«
    Händchen grinste und blinzelte Onno über ihre Schulter hinweg zu. Die Chicks. Was sollste machen? Wird der Schwanz hart, wird das Herz weich …
    Onno blinzelte nicht zurück, doch er grinste. Dann schaute er über die Blumenbrüstung. Gut Schauen war hier schon. Neben den Favelas gab es hübschere dreistöckige Häuser mit maurischen Bögen, in Gelb und Rosa, in Rot wie Ochsenblut, die Läden grün – doch auch sie wurden noch vom ein oder anderen orangefarbenen Bagger belagert, kranbewacht. Aquamarin leuchteten die Pools herauf.
    Die Macchie sah aus wie Brokkoli, der die graukarstigen Hänge hinunterwuchs. Die Bucht da unten war ganz ruhig, zart gewaffelt, gekreuzt von Bootsfährten. Die Geräusche der Möwen, die da wimmelten – teilweise aufflogen, teilweise dahinschipperten –, sie waren sehr, sehr unterschiedlich deutbar: höhnisches Kreischen, fröhliches Gelächter. Schmerzliche Klage. Irrsinnige Dankgebete. Kultische Gesänge zur Selbstreinigung durch Sühneopfer. Onno waltete, tatenlos.
    [26]
    Wie maliziös das Schicksal zum Gelingen des Abends beitrug, beweist u.   a. die Unwahrscheinlichkeit, in welchen Aspekten des Lebens Onno und Händchen Übereinstimmung feierten. Ein Viets, der, seit Muttern ihn einzukleiden aufgehört hatte, mit nahezu nordkoreanischer Beharrlichkeit eine Art Viets-Uniform trug – ein solcher Viets pflegte zum Thema Mode nicht gerade zu brillieren. Und doch fanden Händchen und er auf Anhieb den winzigsten gemeinsamen Nenner.
    Während Fiona den Fisch aufgetragen, hatte es zu dunkeln begonnen und die Lichter in der Bucht zu funkeln. »Sieht ja schon mal viel geiler aus als tagsüber, finde ich«, sagte Onno und referierte seine Flecktarn-Idee. Weder Händchen noch Fiona sagten die Namen Christo und Jeanne-Claude etwas, doch Händchen sagte: »Flecktarn ist das allerletzte.«
    »Wieso? Camouflage?« sagte Fiona. »Kann hochmodisch sein.«
    »Hör bloß auf«, sagte Händchen, und Onno seufzte, als habe er auf eine Gewürznelke gebissen. »Nä, Diggär? Ist doch das allerletzte«, sagte Händchen. Flecktarn tragen nur Fickfehler. Fickfehler wie Hummer-Tim und Pimmel-Paule, die tragen Flecktarn. Da kotzt du doch Pommes Rotweiß.
    »Find ich auch«, sagte Onno Noppe Viets. Hauptsächlich, zugegeben, um den schwindelerregenden Ruch des Déjà-vus zu zerstreuen, den dieser gewisse Name hervorrief.
    »O Alter, und …« Und hier hielt Händchen ein Weilchen inne. Hörte auf zu reden, und Onno registrierte erneut seinen Blick. Die seltsam verstörende, einschüchternde Intensität dieses Blicks. Nicht nur wegen der bodenlosen Schwärze der Iris, nicht nur wegen der Bewegungslosigkeit, der Ungerichtetheit, der Blindheit des Blicks – es war noch etwas anderes, das Onno als Ursache erkannte: Tetropov schien nie zu blinzeln. Jedenfalls hatte Onno ihn bisher nicht bewußt blinzeln gesehn. Entweder blinzelte er immer genau dann, wenn Onno selbst grad blinzelte, oder er schien nie zu blinzeln. Aber so etwas gab es nicht. Normalerweise blinzelt ein Mensch soundsovielmal pro Minute, damit das Auge nicht austrocknet, das wußte Onno. Also blinzelte Tetropov wohl immer dann, wenn Onno seinen Blick abgewendet hatte. Um das zu verifizieren, konnte Onno ja nun aber nicht einfach zurückstarren – ein solches Verhalten wäre wohl schwer vermittelbar. (Übrigens hatte er einmal gelesen, daß der all time favourite Killer der österreichischen Kulturschickeria – Jack Unterweger – ebenfalls einen solchen niederfrequenten Lidschlußreflex gehabt haben soll.)
    Zu Ende jener Sequenz des Starrens – scheinbar zeitlos, weil Onno nicht zu sagen gewußt hätte, ob er und Fiona hypnotisiert gewesen waren oder tatsächlich Zeit vergangen war (oder beides) – huschte eine wolkige Bö von Traurigkeit über Tetropovs Miene, und etwas wie ein innerer Motor sprang an. Er begann, manisch mit dem Fußballen zu wippen, und dann legte er den Kopf in den Nacken und brach in Gelächter aus.
    Brach erstmals in dieses Gelächter aus, von dem Onno noch träumen sollte – ein Gelächter, das Onnos Seelenhärchen in angenehme Schwingungen versetzte, obwohl es ihn an einen hysterischen Truthahn gemahnte. Doch die unvermittelte Weichheit und Hingabe rührten Onno an. Er spürte geradezu, wie Händchens stets angespannte Wachsamkeit

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