Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Handy herumzufummeln. Zwei Stunden dauerte es, bis er herausgefunden hatte, wie die Rufnummernunterdrückung funktionierte. Er probierte es mit Edda aus. »Wozu brauchst du das denn?« »Erzähl ich dir zu Hause!« Dann kiffte er noch ein paar Züge Kiefernduft, und dann, ohne weiteres Aufheben, rief er Fiona an.
Njorp. Öff, öff. ’ch, ’ch, ’ch. Na und? Irgend was mußte schließlich passieren. Außerdem hatte er durchaus Lust, Fionas Pfauenaugen wiederzusehen. Menschliche Thermik. Mach was dran.
»Ach Ottooo! Wie supi ist das denn! Ich hab grad erzählt, daß ich dich superdoll ins Herz geschlossen hab! Klaaar! Ich hab dich auch schon dreimal versucht anzurufen, aber ich muß die falsche Nummer eingetippt haben! Kommst du uns besuchen?«
Um jedes Risiko, Verdacht zu erregen, auszuschließen, beließ Onno Nikon und Kompaktkamera sowie das Handy auf dem Hotelzimmer. Er wollte es nicht mal im Auto haben – was, wenn: »Ach Otto, wollen wir mal eben schnell mit deinem Auto zum Supimarkt?«, und dann muß Otto mal eben kurz das Auto verlassen, warum auch immer, und dann klingelt das Handy, und … ja nee. Muß ja nicht sein.
Und übrigens, das fiel ihm jetzt, also genau eine Minute zu spät ein: Was, wenn sie sich eines Tages in Hamburg über den Weg liefen?
Siehste, Quecke, dachte Onno. Du Arsch! Das ist der Grund, weshalb man nun mal, wenn man verbrannt ist, verbrannt ist! Gab sich Queckes Antwort aber gleich selbst: Wieso? Dann bist du eben immer noch der gute alte Otto, sagst guten Tag, gibst Küßchen und gehst deiner Wege. Wo ist das Problem?
Dank seiner Pfadfinderfähigkeiten brauchte Onno nur eine knappe Dreiviertelstunde für die zehnminütige Strecke. Die Ma 1A führte durch ein grünes Tal mit u. a. beinah friesisch anmutenden Fincas, vor allem aber ausladenden Stellwänden mit Plakaten aus dem Katalog der globalen Gebrauchsgraphik – Immobilien, Autoverleihe, Mineralwässer, Mädchen –, und dann kam der Kreisel, wo es links nach Cala Llamp ging. Vorausgesetzt, man hatte Augen im Kopf. Ohne machte man halt den Umweg über Port d’Antratx und La Mola.
Enge, ansteigende Straßen, helle Steinhäuser hinter Bruchsteinmauern und Kiefern mit schuppigen Stämmen. Serpentinen. Pinien. Ein bißchen Mischwald. Wieder ein Kreisel. Da, Carrer Orada . Und das Sackgassenschild, von dem Fiona gesprochen hatte. Da geht’s also rauf.
Onno kurbelte. Der noch nicht allzu alte Asphaltbelag wies bereits Schlaglöcher auf. An den Außenrändern der Nadelöhrkurven braune Läufer aus Baumnadeln. Links des stetig ansteigenden Weges schmiegte sich eine Villa nach der anderen hinter anmutigen Steingärten in den Berg. Die hohen Grundstücksmauern wirkten, als seien deren Pastellfarben soeben getrocknet. Auch an den tiefgrünen Lamellenläden vor den Fenstern hätten »Frisch gestrichen«-Schilder glaubhaft gewirkt, dito an den schmiedeeisernen Eingangslaternen und zackengratbewehrten Zufahrtstoren, mal Stahl massiv, mal gatterartig. Hier und dort noch Säcke voll Bauschutt, hackevoll einander stützend. Jedes Haus hatte Nummer, Namen – Casa Armonia, Casa del Sol –, Satellitenschüssel und unter der Türglocke Gegensprechanlage.
Rechter Hand riß die Einfriedungslinie ebenfalls kaum je ab, nur daß die in schmalen Terrassen den Abhang hinabgeschachtelten Anlagen unterhalb von Onnos flacher Perspektive blieben. Sichtbar allenfalls Treppenaufgangs- und Mülltonnenhäuschen mit ocker-, umbra- und sienafarbenen Schindeldächerchen, industriell dekorativ vorverwittert, sowie Garage oder Carport mit Porsche, BMW Cabrio oder Matchbox von Sixt.
Schließlich hatte Onno den letzten befahrbaren Punkt des Kapmassivs erreicht, den Wendekreis am Ende der Sackgasse, vier, fünf Baumlängen unterm schroffen, kalkigen Gipfel. Ein Schild am Stamm einer Kiefer mit der Aufschrift Coto privado de casa. In den Fels gesprengt eine Handvoll Parkplätze. Im tiefen Schlagschatten eines pechschwarzen Porsche Mammut verschwand Fionas Mercedes Inline. Onno parkte seine A-Klasse daneben, stieg aus, löste per Daumendruck die Schließelektronik aus und schlenderte meerwärts, hinüber zu einer hüfthohen, gelben Mauer. Lauer Salbeiduft stieg dahinter auf.
Von hier oben aus eröffnete sich der Blick endlich vollständig. Über Koniferenwipfel und Kakteendolche und das Pultdach eines ockerfarbenen Gebäudeteils hinweg schaute Onno aufs Meer, das, mächtig und wuchtig, im Westen mit dem Horizont verschwamm, dem Ziel zweier weißer,
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