Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
daß die Wirbelsäule sehr empfindlich ist. Und Fußsohlen unmöglich. Wegen der ganzen komplizierten Nerven. Weiß er von Tinten-Herbert, der ganzkörpertätowiert ist und schon überall auf der Welt war und von einem samoanischen Tatau-Meister das Rezept einer Antitätowierungssalbe geschenkt bekommen hat, mit der er die Tattoos bestreicht und nach einiger Zeit wie Pergament abziehen kann. Hat ’n riesiges Album mit ehemaligen Motiven zu Haus.
Und erzählt von seinem bunten ›Onkel Bogdan‹ auf dem rechten Schulterblatt, den ihm »###« gemacht hat.
»Drei Kreuze? Der heißt so? Nie gehört.«
Berühmter japanischer Meister der zweihundert Jahre alten Künste des Irezumi und Tebori. Der beste unter den Lebenden.
»Rate, was Onkel Bogdan gekostet hat. ›Tausend Eu‹. Gleich kriegst du eine gekoffert, du Pansen.«
Gemeinsam mit Fiona bewunderte Onno den farbigen Stich. In einer verstörenden Mischung von Naturalismus und Idealismus – sanft stilisiert, aber längst nicht gephotoshopt – hatte der Künstler auf Tetropovs Schulterblatt das Porträt eines pausbäckigen Mannes appliziert. Graziös aufgezwirbelter Schnauzbart, aber todtraurige Augen. Eine Tolle in der breiten, zerfurchten Stirn. Die linke Hand mit im Bild, und sie hält ein zangenartiges Werkzeug. Über seinem behaglichen Wanst flattert eine zweifach gefaltete Schmuckschärpe, auf dersteht.
»Achtung!« sagte Tibor, und plötzlich grinste Onkel Bogdan breit. Irgendwie (mit dem Mittelfinger oder ähnlich) mußte Tibor den Teres minor dazu gebracht haben, sich isoliert zu straffen. Onno lachte – »’ch, ’ch, ’ch« –, Fiona jauchzte auf. »Süüüüüß! Wie süß ist das denn! Das hast du mir ja noch nie gezeigt!«
Onno sagte: »Ist das ’n Bördeleisen?« Er meinte das Werkzeug, das Onkel Bogdans Finger umklammern, und indem Tibor grob die ihn vorwurfsvoll umhalsende Fiona mißachtete, drehte er sich nach ihm um. »Sag bloß, du bist auch Klempner, Diggär.«
Längst paßte zwischen die beiden kein Blatt Papier mehr, geschweige Fiona. Bevor Onno für die nächsten zwei Stunden nur noch Ohr war – quasi in einen seiner alten Zuhörräusche verfiel, die er im Plemplem perfektioniert hatte: jene Art von Duldungsstarre mit aktiver Berieselungsbereitschaft, die u. a. sein Charisma ausmachte –, nahm er noch wahr, wie Fiona mit der Pinzette ihrer Fingernägel eine frische Packung Marlboro lights enthüllte. In der Folge ging die Zigarette nicht mehr aus. Hin und wieder sah er noch, wie Fionas blonder Pony zuckte, wenn sich ein Strähnchen in ihren Wimpern verfangen hatte. Als sich ihr Handy meldete – mit jenem Tarzanschrei, mit dem Johnny Weissmüller noch in die Grube gefahren sein dürfte (»Der Spacken ruft an«, unkte Tibor verächtlich, und Onno machte im Zentralordner seiner geistigen Asservatenkammer den Vermerk, daß der Haupt- dem Nebenbuhler in höchstmöglicher Form gleichgültig zu sein schien) –, schnappte Fiona es sich und verschwand im Haus.
Als sie wieder herauskam, war Onno bereits angetrunken.
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»Was weißt du noch von dem Gespräch?« fragte ich ihn – später, als alles aufgeflogen war –, und er sagte: »Na ja. Er hat halt die ganze Zeit von Onkel Bogdan erzählt. Onkel Bogdan, Onkel Bogdan. Ich hab ihn übrigens später mal gefragt, warum der sich eigentlich umgebracht hat, und Händchen nur so: ›Ph! Gibt doch wohl Gründe genug!‹ Der ist wohl so ’ne Art Vaterersatz für ihn gewesen, nehm’ ich an. War Klempner gewesen.«
Und weil Onno selbst mal eine Klempner- und Installateurausbildung angefangen hatte, fand er sich plötzlich in der Lage wieder, mit einer Hamburger Kiezgröße in einer Luxusvilla auf Mallorca übers Handwerk des Schweifens, Treibens und Bördelns zu fachsimpeln. Händchen hatte am liebsten den Schweifhammer mit den abgerundeten Finnen und den Polierstock gemocht; Onnos Lieblingswerkzeug war der Kugelhammer zum Treiben gewesen usw.
Mit schwarz funkelnden Augen schwärmte Händchen von der Duftmischung in Onkel Bogdans Aalkooger Werkstatt, gelegen am Ufer der Bille: Putzöl, das schmelzende Lötblei, das glimmende, würzige Kraut in Onkel Bogdans Pfeife, die er mit einer einzigen Füllung stundenlang zu schmöken verstand – in Pforzheim hatte er gar einmal einen Wettbewerb im Langsamrauchen gewonnen. Viel mehr wußte Händchen wohl auch nicht mehr. Aus Onkel Bogdans Mund erinnerte er sich nur eines einzigen Satzes: »Ein Klempner arbeitet immer im Sitzen,
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