Op Oloop
Bekümmernis Op Oloops »auf technische Weise«. Wenn er auch nicht selbst, sondern nur als Begleiter flog, kannte er doch die Luftfahrttheorie und die internationalen Gesetze und Konventionen zur Regelung des Luftverkehrs aufs genaueste: »Wenn die Illusion sich hoch aufschwingt und in Richtung des Bewußtseinsfriedens fliegt, wird die Luft häufig durch Beklemmungen dünn. Dann geben die subjektiven Motoren nach und die Illusion stürzt ab. Erfahrene Piloten gleiten für gewöhnlich bis zum Hangar ihres eigenen Fleisches hinab. Die übrigen überkommt angesichts des Scheiterns ihrer Sehnsucht ein Gefühl der Lähmung, des mangelnden Beistands für ihre Seele, das wohl die gefallenen Engel bei ihrem Abstieg gefühlt haben mögen …«
Erik schnappte die Bemerkung auf. Und stets brutal und geistreich zugleich, rettete er seinen Landsmann mit einem Ellbogenstoß aus seiner Situation.
»Los Op Oloop, fahr fort: der ganze Tisch hängt an deinen Lippen. Du hast dir sicher schon zurechtgelegt, was du uns erzählen willst. Sag es.«
Op Oloop stimmte mit einer Kopfbewegung zu. Er kam von weit her, sein Gesicht unbeweglich und von einer undefinierbaren Lust zu weinen gezeichnet. Man merkte ihm die Trübung der geistigen Nebel und den Staub der fleischlichen Wüsten an, die er gerade durchquert hatte. Und er sagte in düsterem Ton: »Ich kenne Personen, die, da sie keine Vertrauten haben, laut vor sich hin sprechen, um sich so auf auditivem Wege von ihrer Existenz zu überzeugen. Ich mißtraue dieser Art der Redekunst. Mich belästigt es zu sprechen. Meine Stimme ist ein ungebetener Eindringling in dem Theater, in dem ich – Autor und Zuschauer zugleich – das geheime Drama meines Lebens aufführe und höre. Entschuldigen Sie mich infolgedessen, und lassen Sie uns von anderen Dingen reden.«
»Nein, Op Oloop. Sprich. Deine Einladung zu diesem Bankett, mit der ehrerbietigen Formvollendung eines geschliffenen Mandarins aufgesetzt, hat meine Aufmerksamkeit erregt. Dieser Text
›Hochwohlgeborener Ivar: Ich werde Dir zutiefst verbunden sein für die Dienste, die Du meinem Geist durch Deine Anwesenheit an der Tafel erweisen wirst, die ich heute abend um 21.30 Uhr im Grill del Plaza decken zu lassen gedenke.‹
ist nicht von der üblichen Art. Er verbirgt etwas. Nenn mir das Murmeln, den Laut, das Wirrwarr, das dein Geist benötigt, damit ich sie dir darbieten kann. Ich werde mein Teil tun. Doch setz nicht diese trübe Miene à la Clive Brooks auf …«
Er steckte in der Klemme. Der Student und der Zuhälter, jeweils mit ihren Einladungskarten in der Hand, lasen wiederholt die Vokabel »Hochwohlgeborener« vor. Und auch sie warfen die Enterhaken ihrer drängenden Blicke nach ihm.
»Caballeros, Ihre Erwartungshaltung verletzt mich. Was soll ich Ihnen erzählen? Mein Leben ist immer gleich gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als ich aus Finnland floh: glatt und geradlinig. Und so hat es sich fortgesetzt. Du, Ivar, hast mich im Gymnasium von Oulu kennengelernt. Ich konnte weder Minnas Liebe noch den Lektionen ihres Vaters, des Literaturlehrers, widerstehen. Und ich zog und zog durch ganz Suomen-Maa, von Archangelsk bis zum Bosnischen Meerbusen, von 60° bis 70° nördlicher Breite. Seen, Sumpfgebiete, Felsen. Kältewellen, Hungersnöte, Fußtritte. Bis ich mit meinem Allerwertesten im Kontrollbüro des Holzhandelszentrums von Turku gelandet bin. Dort kam ich mit der Statistik in Kontakt. Ich durchtränkte mich mit der absoluten Wahrheit der Zahl und der relativen Wahrheit der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Jahrelang kannte ich die genaue Tonnage des Weltverbrauchs an Papierpulpe, Holzteer, Schicht- und Preßholz auswendig. Diejenigen, die nicht von der Statistik eingenommen sind, kennen ihren Rang nicht, eine Wissenschaft, die die reine Mathematik mit der Untersuchung der wirklichen Welt verknüpft. Den esprit de géometrie mit dem esprit de finesse. Auf der Grundlage von statistischen Erhebungen, Diagrammen und Ziffernreihen wird die statische Geschichte der Menschheit beschrieben und zusammengefaßt. Das Schichtholz war mein Ausgangspunkt. Durch die Beobachtung der Exportzahlen von Schichtholz, Schichtholz … Hoerée! … Franziska! FRANZISKA! FRAN-ZIS-KA!«
Das hatte es in sich!
Op Oloops plötzliche Erregung erfüllte die Gäste mit Staunen. Einige erhoben sich. Op Oloop, direkt wieder zu sich gekommen, hielt sie jedoch mit einem Handzeichen an, ihre Plätze einzunehmen: »Entschuldigen Sie dieses ungereimte
Weitere Kostenlose Bücher