Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
Pseudo-Umituarajuite. Gegen den Fjord hinaus sieht es immer wie eine undurchdringliche hohe Eismauer aus. Und die Querung des Fjords, die uns noch bevorsteht, kann auch eine zünftige Sache werden! –
Ich habe aber diese Eisbergfahrt trotz der ziemlich grossen Gefahr mit Bewusstsein stark genossen und oft zum Hü gesagt wie zich die Sache eigentlich ist! Es hat schon unheimlich ausgesehen. Auch Hü hat es voll gewürdigt.
Endlich, nach 9 Stunden unablässigen Ruderns, erreichten wir am Nordende von dem wirklichen Umituarajuit das Depot. Wir landen in der kleinen Bucht. Hü steigt zuerst aus und kann wegen gefühllosen Beinen nicht mehr stehen. Sein Kajak war halb voll Wasser. Er sagte, wie er das Fahrzeug ansah, gleich: »Wie das aussieht! Direkt gefährlich mit den Strumpfmützen.«
Wie wir andern aussteigen zeigt es sich, dass auch wir nichts mehr in den Beinen fühlen und auch nicht mehr stehen können. Wir kriechen zuerst mal etwas höher hinauf, und versuchen, unsere Beine wieder in Bewegung zu kriechen. Allmählig kehrt das Gefühl wieder zurück und dann geht es an das Abpacken und Hinauftragen der Sachen zum Zelt, das noch von den andern aufgeschlagen steht. Wir bedauern immer wieder, dass sich von der Eisbergfahrt keine Tüpe machen liess, weil keine Zeit dazu und Nacht war.
30. August 2012
Ostgrönland, morgens
Wilfried rührt Pemmikanstückchen in seinen flockigen Frühstückskartoffelbrei und flucht in seinen Bart. Nicht, weil wir kein Müsli mehr haben, auch nicht, weil das Pemmikan seit Dezember 2009 abgelaufen ist – das essen wir schon seit Wochen ohne Komplikationen. Das Wetter macht ihm Sorgen: »Verdammt, es schneit.« Der Himmel hat über Nacht zugezogen, die Berge des Sermilik-Fjords sind schon nicht mehr zu sehen. Nach einer Woche Traumwetter kommt uns das sehr ungelegen, weil uns heute ein Helikopter abholen soll. Und der braucht unbedingt gute Sicht.
Wir malen uns aus, wie es wäre, hier zu überwintern. Wasser haben wir in endlosen Mengen aus den ganzen Eisbächen. Dazu fünf Portionen Abendessen, viel Schokolade, Dutzende Energieriegel. Und etwa sechs Packungen Pemmikan.
Natürlich ist die Sorge, hier überwintern zu müssen, im 21. Jahrhundert ziemlich unbegründet. Unseren Flieger nach Island allerdings würden wir verpassen, wenn in den nächsten Tagen kein Hubschrauber kommt. Unwetter, die ein paar Tage dauern, sind in Ostgrönland keine Seltenheit.
Große und kleine Tropfen zeichnen sich auf dem Netzmuster des roten Zeltdachs ab. Von einem kleinen Spaziergang kommt Gregor mit guten Neuigkeiten zurück: »Es klart auf.« Wilfried schreibt per Satellitentelefon eine E-Mail mit Wetterbericht an die Heli-Fluggesellschaft: geschätzte sechs Kilometer Sicht, leichter Schneefall.
Wir bauen die Schlafzelte ab, nur das Küchenzelt bleibt noch stehen. Dann ist nichts mehr zu tun. Das sind wir nicht gewohnt. Wir setzen uns auf unsere Sitzkissen, die aus faltbaren Isomatten in selbst genähten Taschen bestehen, und reden über Marathonläufe und Radrennen.
Wir
ist etwas übertrieben, ich als einziger Nicht-Wettkampf-Ausdauersportler der Runde habe nicht viel beizutragen.
Plötzlich sind alle ruhig und lauschen in die Stille. Nur das Rauschen des Eisbaches draußen, das Schlackern der Zeltplane im Wind. Das
Zoing
von einem Bodengummi, der die Zeltstangen zusammenhält. Das Schleifen von Schuhsohlen auf dem Eis, das Kratzen des eigenen Bartes am Kragen der wasserdichten Jacke. Halb drei ist schon vorbei, die Zeit, die für die Abholung vereinbart war. Kein Helikopter ist zu hören. Wir gehen nach draußen, laufen herum, setzen uns wieder, warten.
Endlich dröhnt vom Fjord her ein dumpfes Rattern,
Gockgockgockgockgock,
der abscheulichste Lärm seit Wochen und doch so willkommen. Der Sound der Zivilisation, zwei Pratt&Whitney-Motoren, 1800 PS. Er wird lauter, dann wieder leiser, verstummt schließlich ganz. Hat der Hubschrauber abgedreht? Hat der Pilot die falschen Koordinaten notiert? Jetzt schwillt das Rotorengeräusch doch wieder an, ein helles Surren kommt dazu, vorbei ist es mit der Ruhe der Natur. Ein fliegender schwarzer Punkt ist links von dem schwarzen Berg zu sehen.
Der Punkt wächst zu einem roten Hubschrauber heran, Typ Bell 212, direkt neben unseren Pulkaschlitten setzt er zur Landung an. Zwei Sitzkissen und ein eingepacktes Segel fliegen mit Schwung in einen Eisbach.
Ein gut gelaunter dänischer Pilot steigt aus. »Wie lange wart ihr draußen? Dreieinhalb Wochen? Dann ist
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