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Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Orth
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und Nahrung doch bestens gebrauchen.«
    Gute Hundeschlitten müssen damals tatsächlich an der Ostküste einen enormen Wert gehabt haben. Die Tagesreise im Boot würde man dafür problemlos in Kauf nehmen. »Wenn zwei Mercedes in München für dich bereitstehen, würdest du doch auch aus Hamburg hinfahren und sie abholen«, meint Wilfried.
    Wir nehmen an, dass es hier nichts mehr zu entdecken gibt, und gehen bergsteigen. Natürlich muss ich den anderen noch meinen Gipfel zeigen, also Opas Gipfel, ich will ja kein schlechter Gastgeber sein.
    Die Schneefelder sind einige Meter kürzer als im Vorjahr, ansonsten ist der Aufstieg so, wie ich ihn in Erinnerung habe. Ich gehe voraus, hier brauche ich kein GPS-Gerät, um das Ziel zu finden.
    Wilfried macht zwei Fotos von mir, wie ich auf dem Gipfel sitze. Als ich sie auf dem Display der Kamera betrachte, bin ich ernsthaft verblüfft. Ich habe mich verwandelt. Oder besser: Das Eis hat mich verwandelt. Schon früher sah ich meinem Opa ähnlich, aber jetzt, mit dem ernsten Blick und dem Dreiwochenbart, könnte ich sein Zwillingsbruder sein. Der Enkel, der auf den Gipfelfotos von 2011 jugendlich-heiter in die Kamera strahlt, ist nicht zurückgekommen, sondern ein anderer, mit neuen Erfahrungen und mit einem schwierigeren Anreiseweg. Ein Enkel, der weiß, mit welchen Strapazen die Namenspatenschaft für diesen Berg am Ende des Eises verdient wurde. Und der für ihn das Versäumnis nachholt, nie auf seinen eigenen Berg gestiegen zu sein.
    Die anderen schlagen vor, einen großen Steinmann auf dem Gipfel zu bauen, »das gehört sich so«, meint Wilfried. Nur ich bin dagegen. Ostgrönland ist eine der wenigen Regionen auf der Welt, wo der Mensch noch nicht an jeder Weggabelung und auf jedem Berg sichtbare Spuren hinterlassen hat. Es wäre schön, wenn das noch ein paar Jahre lang so bleibt. Mir gefällt der Gedanke, dass es in diesem Bereich zurzeit nur drei Steinmänner gibt, deren historische Bedeutung außer Frage steht: die beiden, die zum Depot an Hoesslys Bjerg weisen, und die Warte auf der schwarzen Kuppe. Wie sinnfrei wäre jeder Geröllhaufen, den wir hier zusammenschichten, im Vergleich zu zwei Lebensrettern und einem Hilferuf!
    Wir laufen noch ein Stück vor auf der Felszunge und entdecken viele Granate im Felsboden, rostfarbene Halbedelsteine. So grau und unbedeutend Opas Berg aus der Ferne wirkt: Wer näher herangeht, entdeckt verborgene Schätze. Auf einer steilen Route mit Blick auf die Bucht steigen wir ab, gut können wir von oben eine Uferpartie am Hundefjord aus farbigem Stein erkennen, die wie eine rote Nase aussieht.
    Im Tal beschließen wir, die Expedition als Badeurlaub ausklingen zu lassen. Um mit einem moderaten Schwierigkeitsgrad zu starten, beginnen wir damit in einem Gletscherfluss. Der dürfte etwa drei bis vier Grad Celsius warm sein. Einmal untertauchen. Schreien. Raus. Wohlfühlen. Es ist wunderbar, wenn die Wärme zurückkehrt in den Körper.
    Das Fjordwasser fühlt sich am nächsten Tag schon etwas kälter an. Dort gibt es sogar eine Art Strand aus kleinen Steinchen. Reinlaufen. Schreien. Untertauchen. Noch lauter schreien. Raus. »Ist gar nicht salzig«, verkündet Wilfried, der Wissenschaftler.
    Die ultimative Mutprobe, wieder einen Tag später nach unserem erneuten Aufstieg zum Eisrand, wo wir unsere Pulkaschlitten gelassen haben, ist allerdings »der Pool«. Ein fast kreisrundes Loch im Eis, oben mehrere Zentimeter zugefroren, darunter mehr als einen Meter tief. Wir hacken das Eis weg und legen unsere Kleidung ab.
    Bei null Grad Wassertemperatur schreit man nicht mehr, das ist der pure Kälteschock, eine Taubheit, die direkt einsetzt. Und wenn danach die Wärme zurückdrängt in den Körper, tut das richtig weh, am meisten in den Zehen, etwa zehn Minuten lang.
    An diesem Punkt erklären wir unsere kleine Versuchsreihe ohne Gegenstimme für beendet. Ergebnis: Vieles deutet darauf hin, dass für Wellnesszwecke nur Wassertemperaturen ab drei Grad aufwärts zu empfehlen sind.

29. Juli 1912
    Ostgrönland, Tagebuch von Roderich Fick

    Die entbehrlichen Sachen, Schlitten, Pemikan wurden vor dem Felsblock, auf dem unser Zelt stand, mit einer Steinmauer, bären- und hundesicher verdeckt. Es war doch ein ziemlicher Berg von Sachen runter zu tragen und wir mussten mehrmals den Weg machen. Wie ich das erste Mal runter kam, hab ich mir vor allen Dingen die Kajake angeschaut, und mir das Beste, das in Kialinek gebaut war, rausgesucht, unter dem Vorwand, dass

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