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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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sich, gewahrt die Buhlerin und die Kokette, schlägt an die fromme Brust und ruft: »ich danke dir, Herr, daß ich nicht bin wie diese!« – Ihre Lebenskraft ist der Anstand, ihr einziger Wille die Verneinung der Liebe, die sie nicht anders kennt als in dem Wesen der Buhlerin und Kokette. Ihre Tugend ist die Vermeidung des Lasters, ihr Wirken die Unfruchtbarkeit, ihre Seele impertinenter Hochmut. – Und wie nahe ist gerade dieses Weib dem allerekelhaftesten Falle! In ihrem bigotten Herzen regt sich nie die Liebe, in ihrem sorgsam versteckten Fleische wohl aber gemeine Sinnenlust. Wir kennen die Konventikel der Frommen und die ehrenwerten Städte, in denen die Blume der Muckerei erblühte! Wir haben die Prüde in jedes Laster der französischen und italienischen Schwester verfallen sehen, nur noch mit dem Laster der Heuchelei befleckt und leider ohne alle Originalität! –
    Wenden wir uns ab von diesem abscheulichen Anblicke und fragen wir nun, was für ein Weib soll die wahre Musik sein?
    Ein Weib, das wirklich liebt , seine Tugend in seinen Stolz , seinen Stolz aber in sein Opfer setzt, in das Opfer, mit dem es nicht einen Teil seines Wesens, sondern sein ganzes Wesen in der reichsten Fülle seiner Fähigkeit hingibt, wenn es empfängt . Das Empfangene aber froh und freudig zu gebären , das ist die Tat des Weibes – und um Taten zu wirken, braucht daher das Weib nur ganz das zu sein, was es ist , durchaus aber nicht etwas zu wollen : denn es kann nur Eines wollen – Weib sein ! Das Weib ist dem Manne daher das ewig klare und erkenntliche Maß der natürlichen Untrüglichkeit, denn es ist das Vollkommenste, wenn es nie aus dem Kreise der schönen Unwillkürlichkeit heraustritt, in den es durch das, was sein Wesen einzig zu beseligen vermag, durch die Notwendigkeit der Liebe, gebannt ist.
    Und hier zeige ich euch nochmals den herrlichen Musiker, in welchem die Musik ganz das war, was sie im Menschen zu sein vermag, wenn sie eben ganz nach der Fülle ihrer Wesenheit Musik und nichts anderes als Musik ist. Blickt auf Mozart ! – War er etwa ein geringerer Musiker, weil er nur ganz und gar Musiker war, weil er nichts anderes sein konnte und wollte als Musiker ? Seht seinen »Don Juan«! Wo hat je die Musik so unendlich reiche Individualität gewonnen, so sicher und bestimmt in reichster, überschwenglichster Fülle zu charakterisieren vermocht als hier, wo der Musiker der Natur seiner Kunst nach nicht im mindesten etwas anderes war als unbedingt liebendes Weib? –
     
    – Doch, halten wir an, und zwar gerade hier, um uns gründlich zu befragen, wer denn der Mann sein müsse, den dieses Weib so unbedingt lieben soll? Erwägen wir wohl, ehe wir die Liebe dieses Weibes preisgeben, ob die Gegenliebe des Mannes etwa eine zu erbettelnde, oder eine auch ihm notwendige und erlösende sein müsse?
    Betrachten wir genau den Dichter !
     
Ende des ersten Teiles

Oper und Drama
Zweiter Teil
Das Schauspiel und das Wesen der dramatischen Dichtkunst
    Als Lessing in seinem »Laokoon« sich bemühte, die Grenzen der Dichtkunst und Malerei aufzusuchen und zu bezeichnen, hatte er die Dichtkunst im Auge, die selbst bereits nur noch Schilderei war. Er geht von Vergleichs- und Grenzlinien aus, die er zwischen dem plastischen Bildwerke, welches uns die Szene des Todeskampfes Laokoons darstellt, und der Schilderung zieht, welche Virgilius in seiner »Aeneis«, einem für die Lektüre geschriebenen Epos, von derselben Szene entwirft. Berührt Lessing im Laufe seiner Untersuchung selbst den Sophokles, so hat er dabei wiederum nur den literarischen Sophokles im Sinne, wie er vor uns steht, oder wenn er das lebendig aufgeführte tragische Kunstwerk des Dichters selbst in das Auge faßt, stellt er dies unwillkürlich auch außer allem Vergleich mit dem Werke der Bildhauerei oder Malerei, weil nicht das lebendige tragische Kunstwerk diesen bildenden Künsten gegenüber begrenzt ist, sondern diese ihrer kümmerlichen Natur nach zu jenem gehalten, ihre notwendigen Schranken finden. Überall da, wo Lessing der Dichtkunst Grenzen und Schranken zuweist, meint er nicht das unmittelbar zur Anschauung gebrachte, sinnlich dargestellte dramatische Kunstwerk , das in sich alle Momente der bildenden Kunst nach höchster, nur in ihm erreichbarer Fülle vereinigt und aus sich erst dieser Kunst höhere künstlerische Lebensmöglichkeit zugeführt hat, sondern den dürftigen Todesschatten dieses Kunstwerkes, das erzählende, schildernde, nicht an die

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