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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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einen großen Zusammenhang gegenseitig sich bedingender Handlungen zu verständlichem Überblicke darstellen zu können, diese Handlungen in sich selbst zu einem Maße zusammendrängen muß, in welchem sie bei leichtester Übersichtlichkeit dennoch nichts von der Fülle ihres Inhaltes verlieren. Ein bloßes Kürzen oder Ausscheiden geringerer Handlungsmomente würde an sich die beibehaltenen Momente nur entstellen, da diese stärkeren Momente der Handlung für das Gefühl einzig als Steigerung aus ihren geringeren Momenten gerechtfertigt werden können. Die um des dichterisch übersichtlichen Raumes wegen ausgeschiedenen Momente müssen daher in die beibehaltenen Hauptmomente selbst mit übertragen werden, d. h., sie müssen in ihnen auf irgendwelche, für das Gefühl kenntliche, Weise mitenthalten sein. Das Gefühl kann sie aber nur deshalb nicht vermissen, weil es zum Verständnis der Haupthandlung des Mitempfindens der Beweggründe bedarf, aus denen sie hervorging und die in jenen geringeren Handlungsmomenten sich kundtaten. Die Spitze einer Handlung ist an sich ein flüchtig vorübergehender Moment, der als reine Tatsache vollkommen bedeutungslos ist, sobald er nicht aus Gesinnungen motiviert erscheint, die an sich unser Mitgefühl in Anspruch nehmen: die Häufung solcher Momente muß den Dichter aller Fähigkeit berauben, sie an unser Gefühl zu rechtfertigen, denn diese Rechtfertigung, die Darlegung der Motive, ist es eben, was den Raum des Kunstwerkes einzunehmen hat, der vollkommen vergeudet wäre, wenn er von einer Masse unzurechtfertigender Handlungsmomente erfüllt würde.
    Im Interesse der Verständlichkeit hat der Dichter daher die Momente der Handlung so zu beschränken, daß er den nötigen Raum für die volle Motivierung der beibehaltenen gewinne: alle die Motive, die in den ausgeschiedenen Momenten versteckt lagen, muß er den Motiven zur Haupthandlung in einer Weise einfügen, daß sie nicht als vereinzelt erscheinen, weil sie vereinzelt auch ihre besonderen Handlungsmomente – eben die ausgeschiedenen – bedingen würden; sie müssen dagegen in dem Hauptmotive so enthalten sein, daß sie dieses nicht zersplittern, sondern als ein Ganzes verstärken . Die Verstärkung des Motives bedingt aber notwendig auch wieder die Verstärkung des Handlungsmomentes selbst, der an sich nur die entsprechende Äußerung des Motives ist. Ein starkes Motiv kann sich nicht in einem schwachen Handlungsmomente äußern; Handlung und Motiv müßten dadurch unverständlich werden. – Um also das durch Aufnahme aller, im gewöhnlichen Leben nur in vielen Handlungsmomenten sich äußernder Motive, verstärkte Hauptmotiv verständlich kundzugeben, muß auch die aus ihm bedingte Handlung eine verstärkte, mächtige und in ihrer Einheit umfangreichere sein, als wie sie das gewöhnliche Leben hervorbringt, in welchem ganz dieselbe Handlung sich nur im Zusammenhange mit vielen Nebenhandlungen in einem ausgebreiteten Raume und in einer größeren Zeitausdehnung zutrug. Der Dichter, der sowohl diese Handlungen wie diese Raum- und Zeitausdehnung zugunsten eines übersichtlichen Verständnisses zusammendrängte, hatte dies alles nicht etwa nur zu beschneiden , sondern seinen ganzen wesentlichen Inhalt zu verdichten : die verdichtete Gestalt des wirklichen Lebens ist von diesem aber nur zu begreifen, wenn sie ihm – sich gegenübergehalten – vergrößert, verstärkt, ungewöhnlich erscheint. In seiner vielhandligen Zerstreutheit über Raum und Zeit vermag eben der Mensch seine eigene Lebenstätigkeit nicht zu verstehen; das für das Verständnis zusammengedrängte Bild dieser Tätigkeit gelangt ihm aber in der vom Dichter geschaffenen Gestalt zur Anschauung, in welchem diese Tätigkeit zu einem verstärktesten Momente verdichtet ist, der an sich allerdings ungewöhnlich und wunderhaft erscheint, seine Ungewöhnlichkeit und Wunderhaftigkeit aber in sich verschließt, und vom Beschauer keinesweges als Wunder aufgefaßt, sondern als verständlichste Darstellung der Wirklichkeit begriffen wird.
     
    Vermöge dieses Wunders ist der Dichter aber fähig, die unermeßlichsten Zusammenhänge in allerverständlichster Einheit darzustellen. Je größer, je umfassender der Zusammenhang ist, den er begreiflich machen will, desto stärker hat er nur die Eigenschaften seiner Gestalten zu steigern; er wird Raum und Zeit, um sie der Bewegung dieser Gestalten entsprechend erscheinen zu lassen, aus umfangreichster Ausdehnung ebenfalls zu

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