Operation Amazonas
auf ihn zu übertragen suchte.
Der Verwundete befand sich aufgrund des Morphiums und der Beruhigungsmittel zum Glück in einem Dämmerschlaf, stöhnte aber hin und wieder auf. Dann spannte sich Kelly jedes Mal an, und ihr Gesicht verzerrte sich, als spürte sie die Schmerzen am eigenen Leib, was wohl teilweise auch zutraf, wie Nate vermutete. Sie litt unübersehbar ebenso sehr wie ihr Bruder.
»Achtung!«, rief Kostos von der Spitze der Kolonne. »Wir ändern die Richtung.«
Nate spähte nach vorn. Die ganze Nacht über waren sie über den harten Boden zwischen Dschungel und Felswand gestapft. Jetzt bog ihr Führer in einen der zahlreichen schroffen Einschnitte ab. Der Einschnitt durchzog die ganze Felswand und war etwa doppelt so breit wie eine Garage.
Der Indianer trat in die Mündung des Einschnitts, drehte sich zu ihnen um und blickte sie eine Weile an, dann schritt er ohne ein weiteres Zeichen oder einen Willkommensgruß in die enge Schlucht hinein.
»Ich sehe mir das mal an«, sagte Kostos.
Der Ranger trabte vor, während die anderen langsamer wurden. Am Lauf seines M-16 hatte er eine Taschenlampe befestigt, deren Strahl somit immer auf dem Ziel ruhte. Er rannte zur Wand der Schlucht, atmete tief durch, dann leuchtete er in den Einschnitt. In dieser Haltung verharrte er eine Weile, dann winkte er die anderen mit der Linken zu sich, ohne seinen Posten zu verlassen. »Das ist eine Nebenschlucht! Eine sehr steile.«
Die Gruppe näherte sich dem Ranger.
Nate blickte blinzelnd in die Höhe. Der Einschnitt reichte bis ganz nach oben, sodass man die Sterne sah. Der Weg war recht steil, doch anscheinend hatten die Indianer Stufen in den ansteigenden Boden der Schlucht gehauen.
Professor Kouwe zeigte nach vorn. »Sieht so aus, als läge in der Nähe ein weiterer Cañon oder ein Tal.«
Anna Fong trat neben ihn. »Oder das ist ein Nebenarm des Cañons, eine Abkürzung nach oben.«
In der Ferne stieg der Indianer die Steinstufen empor, scheinbar ohne sich darum zu scheren, ob sie ihm folgten oder nicht. Seine Gleichgültigkeit teilten andere jedoch nicht. Das Jaguarrudel kam knurrend und fauchend näher.
»Ich glaube, wir müssen eine Entscheidung treffen«, sagte Carrera.
Kostos musterte stirnrunzelnd die hohen Wände, von denen die primitive Treppe gesäumt wurde. »Es könnte sich auch um eine Falle, einen Hinterhalt handeln.«
Zane trat einen Schritt in die Schlucht hinein. »Wir sitzen bereits in der Falle, Sergeant. Ich für mein Teil stelle mich lieber einer unbekannten Gefahr als dem, was hinter uns liegt.«
Niemand erhob Einwände. Die Erinnerung an Warczaks und Waxmans blutigen Tod steckte allen noch in den Knochen.
Kostos setzte sich vor Zane. »Gehen wir. Und Augen auf.«
Die Schlucht war so breit, dass Manny und Nate, die die Trage schleppten, nebeneinander hergehen konnten. Auf diese Weise fiel das Treppensteigen ein wenig leichter. Gleichwohl war der Anstieg entmutigend.
Olin näherte sich ihnen. »Möchte einer von Ihnen mal abgelöst werden?«
Manny verzog das Gesicht. »Es geht schon noch.«
Nate pflichtete ihm mit einem Kopfnicken bei.
Und so begann der lange Aufstieg. Nate und Manny fielen rasch zurück. Kelly blieb bei ihnen, unverändert besorgt um ihren Bruder. Carrera bildete die Nachhut.
Nates Knien schmerzten, seine Schenkel brannten und die Schultern waren vor Erschöpfung ganz verspannt. Dennoch hielt er durch. »Es kann nicht mehr weit sein«, sagte er, an niemand Bestimmtes gewandt.
»Ich hoffe nicht«, meinte Kelly.
»Er ist stark«, sagte Manny und wies mit dem Kinn auf Frank.
»Stärke reicht manchmal nicht aus«, entgegnete sie.
»Er wird das durchstehen«, versicherte ihr Nate. »Schließlich hat er die Glückskappe der Red Sox, oder etwa nicht?«
Kelly seufzte. »Er liebt das gute Stück. Wussten Sie schon, dass er als Shortstop bei einem Farmklub gespielt hat? In der Triple A Division.« Sie senkte die Stimme zu einem gepressten Flüstern. »Mein Vater war ja so stolz auf ihn. Das waren wir alle. Es war sogar die Rede davon, dass er Profi werden könnte. Doch dann hatte er einen Skiunfall und verletzte sich am Knie. Damit war seine Karriere beendet.«
Manny brummte überrascht. »Und die Kappe soll ihm Glück bringen?«
Kelly streifte lächelnd über den Schirm der Kappe. »Drei Spielzeiten lang hat er ein Spiel gespielt, das er von ganzem Herzen liebte. Trotz des Unfalls war er nicht verbittert. Er hielt sich für den glücklichsten Menschen auf der Welt.«
Nate blickte auf die Kappe
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