Operation Amazonas
und beneidete Frank unwillkürlich um die kurze Zeit, die er im Rampenlicht gestanden hatte. War das Leben für ihn jemals so einfach gewesen? Vielleicht brachte die Kappe ja wirklich Glück. Im Moment konnten sie jedes Quentchen davon brauchen.
Carrera unterbrach ihre Gedankengänge. »Die Jaguare … Sie folgen uns nicht mehr.«
Nate blickte in die Tiefe. Eine der großen Raubkatzen stand am Fuß der Treppe. Es war die Anführerin des Rudels. Sie schritt auf und ab. Tor-tor blickte mit funkelnden Augen zu ihr hinunter. Das Weibchen fixierte die kleinere Raubkatze eine Weile – dann verschwand es blitzschnell im Dschungel.
»Das Tal ist wohl das Revier des Rudels«, sagte Manny. »Eine weitere Verteidigungslinie.«
»Aber was beschützen sie?«, fragte Carrera.
Vor ihnen ertönte ein Ruf. Es war Sergeant Kostos. Er war zehn Schritte vor dem Ende der Schlucht stehen geblieben und winkte sie zu sich.
Als sich die Gruppe sammelte, hellte sich der Himmel im Osten auf. Hinter dem Treppenschacht öffnete sich ein üppiges Tal mit hoch aufragenden Bäumen. Irgendwo plätscherte ein heller Bach und in der Ferne rauschte ein Wasserfall.
»Das Land der Ban-ali«, sagte Professor Kouwe.
Olin näherte sich Manny und Nate. Er packte die Trage. »Von hier an übernehmen wir.«
Nate wunderte sich, Richard Zane an der Seite des Russen zu sehen. Er erhob jedoch keine Einwände. Sie übergaben die Trage. Nate fühlte sich augenblicklich um hundert Pfund leichter. Er hatte den Eindruck, seine Arme wollten emporsteigen wie heliumgefüllte Luftballons.
Zusammen mit Manny stieg er zu Kostos hoch.
»Der Indianer ist verschwunden«, knurrte der Sergeant.
Nate sah, dass der Ranger Recht hatte. »Aber wir wissen auch so, wohin wir uns wenden müssen.«
»Wir sollten warten, bis die Sonne aufgegangen ist«, meinte Kostos.
Manny runzelte die Stirn. »Die Ban-ali haben uns beobachtet, seit wir den Dschungel betreten haben – bei Tag und bei Nacht. Egal ob die Sonne scheint oder nicht, wir werden keinen Einzigen von ihnen zu Gesicht bekommen, wenn sie es nicht wollen.«
»Außerdem«, sagte Nate, »haben wir einen Verletzten. Je eher wir das Dorf oder die Siedlung erreichen, desto besser seine Chancen. Ich bin fürs Weitergehen.«
Kostos nickte seufzend. »Okay, aber wir bleiben dicht beieinander.«
Der Sergeant straffte sich und ging voran.
Mit jedem Schritt wurde es heller. Der Sonnenaufgang im Amazonasgebiet geht plötzlich vonstatten. Die Sterne wurden vom sich ausbreitenden rosigen Schimmer der Morgendämmerung verschluckt. Der wolkenlose Himmel kündete von einem heißen Tag.
Am Ende der Schlucht verharrte die Gruppe einen Moment. Ein schmaler Pfad führte in den Dschungel hinab. Was aber würde sie am Ziel erwarten? Im Tal waren keine Anzeichen einer Besiedlung zu erkennen. Kein aufsteigender Holzrauch, kein Stimmengewirr.
Ehe sie sich in Bewegung setzten, suchte Kostos mit dem Fernglas das Tal ab. »Verdammt«, murmelte er.
»Was gibt’s denn?«, fragte Zane.
»Dieser Cañon ist bloß ein Seitenarm des Einschnitts, aus dem wir kommen.« Er zeigte nach rechts. »Es hat den Anschein, als wäre dieser Cañon von hohen Felswänden umschlossen.«
Nate setzte sein eigenes Fernglas an und blickte in die Richtung, in die der Sergeant zeigte. Durch den Dschungel konnte er gerade eben einen kleinen Fluss ausmachen, der das Tal durchströmte. Er folgte dem Wasserlauf mit den Augen, bis dieser über einen steilen Abfall verschwand und sich in den tiefer gelegenen Cañon ergoss, den sie in der Nacht durchquert hatten – das Reich der Riesenjaguare.
»Wir sind eingeschlossen«, sagte Kostos.
Nate schwenkte das Fernglas in die entgegengesetzte Richtung. Dort machte er einen weiteren Wasserfall aus. Dieser stürzte von einer gewaltigen Felswand herab. Das ganze Tal war an drei Seiten von Felswänden umschlossen, und an der vierten Seite lag der Treppenschacht, durch den sie es betreten hatten.
Dieses Dschungelgebiet ist vollkommen isoliert, machte Nate sich klar.
»Das gefällt mir nicht«, fuhr der Sergeant fort. »Die Steintreppe ist der einzige Zugang.«
Als Nate das Fernglas absetzte, ging im Osten gerade die Sonne auf und ließ den vor ihnen ausgebreiteten Dschungel grün aufleuchten. Ein Schwarm blau-goldener Keilschwanzsittiche flog von seinem Brutplatz nahe den dunstverhüllten Felswänden auf und segelte an ihnen vorbei. Der Gischt der Wasserfälle an beiden Talenden funkelte in den ersten Sonnenstrahlen.
»Ein Garten Eden«, meinte
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