Operation Amazonas
Nate zusammengesunken, benommen und erschöpft vor dem Laptop. Er hatte einen Großteil der Notizen seines Vaters gelesen und war sogar einigen Querverweisen auf bestimmte Dateien mit wissenschaftlichem Inhalt nachgegangen. Er scrollte bis zum Ende des geöffneten Eintrags und las die letzten Zeilen.
Heute Nacht werden wir es versuchen. Möge Gott uns alle schützen.
Das Rascheln des Vorhangs am Eingang kündete vom Eintreten eines Besuchers.
»Nate?« Es war Professor Kouwe.
Als Nate auf die Armbanduhr sah, wurde ihm bewusst, wie lange er in den Aufzeichnungen versunken gewesen war. Seine Mundhöhle fühlte sich an wie trockenes Sackleinen. Draußen senkte sich die Sonne bereits auf den westlichen Horizont hinab, während der Nachmittag allmählich in den Abend überging.
»Wie geht’s Frank?«, fragte Nate und drehte sich um.
»Was hast du?«, fragte Kouwe zurück, als er sein Gesicht sah.
Nate schüttelte den Kopf. Er war noch nicht bereit, darüber zu sprechen. »Wo ist Kelly?«
»Unterhält sich draußen gerade mit Sergeant Kostos. Wir wollten mal Bericht erstatten und uns vergewissern, ob alles in Ordnung ist. Dann klettern wir gleich wieder hoch. Wie läuft’s denn hier unten?«
»Die Indianer halten uns auf Abstand«, meinte Nate und erhob sich. Er trat zum Eingang, blickte zur sinkenden Sonne hinaus. »Wir haben das Baumhaus als Basis hergerichtet. Manny und Private Carrera erkunden die Umgebung.«
Kouwe nickte. »Ich habe eben gesehen, dass sie auf dem Rückweg sind. Wie steht es mit der Verbindung in die Staaten?«
Nate zuckte die Schultern. »Olin meint, das ganze System sei kaputt. Er glaubt aber, er könnte zumindest eine korrekte Positionsbestimmung reinbekommen und ein GPS-Signal übermitteln. Vielleicht noch heute Abend.«
»Das ist eine gute Nachricht«, sagte Kouwe gepresst.
Nate bemerkte, wie angespannt der Professor war. »Was gibt’s denn?«
Kouwe runzelte die Stirn. »Ich kann’s nicht genau sagen.«
»Vielleicht kann ich Ihnen ja weiterhelfen.« Nate blickte luf den Laptop, dann schaltete er ihn aus. Jetzt, da es dunkelte, würde der Strom ohnehin bald versiegen. Er las die Ladeanzeige ab, dann klemmte er sich den Rechner unter den Arm. »Ich finde, wir sollten mal unseren Kenntnisstand angleichen.«
Kouwe nickte bedrückt. »Deshalb sind Kelly und ich ja runtergekommen. Wir haben auch Neuigkeiten.«
Als Nate sich erhob, war er sicher, dass Kouwes Miene dessen Besorgnis widerspiegelte. »Dann wollen wir mal alle zusammenrufen.«
Sie traten gebückt in den abendlichen Sonnenschein hinaus. Nach der drückenden Schwüle in der Hütte kam ihnen der schwache Wind beinahe zu kühl vor. Nate ging zu Kelly und Sergeant Kostos hinüber. Manny und Carrera hatten sich mittlerweile zu den beiden gesellt.
Einige Schritte entfernt stand einer der Ban-ali. Nach einer Weile erkannte Nate ihn wieder. Es war der Mann, der sie hergeführt hatte. Er hatte sich die Tarnbemalung abgewaschen, sodass man nun seine braune Haut und die scharlachrote Brusttätowierung sah.
Nate nickte Kelly zu. »Hab gehört, Frank geht es besser.«
Sie war blass und wirkte zerstreut. »Im Moment ja.« Sie bemerkte den Laptop, den er sich unter den Arm geklemmt hatte. »Haben Sie etwas über Ihren Vater herausgefunden?«
Nate seufzte. »Ich glaube, das sollten alle hören.«
»Wird sowieso allmählich Zeit, dass wir einen Plan fassen«, meinte Sergeant Kostos. »Nicht mehr lange, und es wird dunkel.«
Kouwe zeigte auf das dreistöckige Gebäude in der hoch aufragenden Eiche. »Lassen Sie uns rübergehen.«
Niemand erhob Einwände. Eilig kletterten sie über die lange Strickleiter in die Baumkrone hinauf. Tor-tor blieb zurück und hielt Wache. Nate blickte sich um. Der Jaguar hatte Gesellschaft bekommen. Der Ban-ali hatte sich am Fuß der Leiter postiert. Offenbar hatte man ihn der Gruppe zugeteilt.
Oben angekommen kletterte Nate auf die Plattform. Die übrigen Expeditionsteilnehmer hatten sich entweder auf der Plattform versammelt oder standen im Eingang der unteren Etage, die von einem Gemeinschaftsraum eingenommen wurde. In den beiden oberen Etagen gab es mehrere Wohnräume, jeder mit einer eigenen kleinen Plattform oder einer Veranda ausgestattet.
Das Baumhaus war offenbar von einer Familie bewohnt gewesen und speziell für die Neuankömmlinge geräumt worden. Zahlreiche persönliche Habseligkeiten waren zurückgelassen worden: Tongefäße und Holzgerätschaften, Feder- und Blumenschmuck, leere Hängematten, kleine geschnitzte
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