Operation Amazonas
tatsächlich gewisse Ähnlichkeiten auf. Und in Anbetracht ihrer Isoliertheit kann man gut nachvollziehen, dass es sie erstaunte, auf Weiße zu treffen, die ihre Sprache sprachen. Es wundert mich nicht, dass sie deinen Vater und die Überlebenden der Gruppe verschonten.«
Das hat ihnen wenig genützt, dachte Nate bedrückt, dann fuhr er fort: »Die überlebenden Expeditionsteilnehmer waren alle schwer verwundet, doch hier heilten ihre Verletzungen. Es war wie ein Wunder: Schnittwunden schlossen sich, ohne Narben zu bilden, gebrochene Knochen wuchsen in weniger als einer Woche zusammen, sogar chronische Krankheiten wie die Herzgeräusche eines Expeditionsteilnehmers wurden geheilt. Am erstaunlichsten aber war Gerald Clarks Verwandlung.«
»Sein Arm«, warf Kelly ein und straffte sich.
»Genau. Nach einigen Wochen spaltete sich sein Armstumpf, begann zu bluten und entwickelte eine Art Tumor. Einer der Überlebenden war Arzt. Er und mein Vater untersuchten den Arm. Der Tumor bestand aus undifferenzierten Stammzellen. Sie waren sicher, dass er bösartig war. Sie erwogen sogar, ihn chirurgisch zu entfernen, doch es fehlte ihnen an den notwendigen Geräten. Im Laufe der Wochen wurden allmählich Veränderungen sichtbar. Der Tumor wurde länger und entwickelte an der Außenseite Hautgewebe.«
Kelly machte große Augen. »Der Arm regenerierte sich.«
Nate nickte und wandte sich dem Computer zu. Er scrollte im Journal bis zu dem Tag vor fast drei Jahren. Er las die Eintragung seines Vaters vor. »Heute wurde Dr. Chandler und mir klar, dass es sich bei Clarks Tumor tatsächlich um eine Regeneration handelt, wie sie noch nie beobachtet wurde. Unsere Fluchtpläne haben wir solange auf Eis gelegt, bis die Entwicklung abgeschlossen ist. Diese Wunderheilung ist es wert, ein Risiko einzugehen. Die Banali sind nach wie vor recht entgegenkommend. Wir dürfen uns im Tal frei bewegen und bloß nicht hinaus. Und so lange die Riesenjaguare in der unteren Schlucht umherstreifen, scheint eine Flucht ohnehin unmöglich.«
Nate richtete sich auf und öffnete eine andere Datei. Auf dem Bildschirm erschienen die Skizzen eines Arms und Oberkörpers. »Mein Vater hat die Transformation dokumentiert. Man sieht, wie die undifferenzierten Stammzellen allmählich Knochen, Muskeln, Nerven, Blutgefäße, Haar und Haut ausbilden. Es dauerte acht Monate, dann hatte sich der Arm vollständig regeneriert.«
»Wie ist es dazu gekommen?«, fragte Kelly.
»Meinem Vater zufolge war dafür der Saft des Yagga-Baums verantwortlich.«
»Die Yagga …«, flüsterte Kelly.
Kouwes Augen weiteten sich. »Kein Wunder, dass die Banali den Baum als Gottheit verehren.«
»Was ist eine Yagga?«, mischte sich erstmals Zane in das Gespräch ein.
Kouwe schilderte, was er zusammen mit Kelly in der Krankenstation im Innern des Baumriesen beobachtet hatte. »Franks Wunden wurden augenblicklich versiegelt. «
»Aber das ist noch nicht alles«, meinte Kelly. Sie rückte näher an den Bildschirm heran. »Den Nachmittag über habe ich sein Blut mit einem Hämatokrit wiederholt auf den Gehalt an roten Blutkörperchen untersucht. Die Konzentration steigt dramatisch an. Es hat den Anschein, als würde das Knochenmark angeregt, neue rote Blutkörperchen zu produzieren, um den Blutverlust auszugleichen, und das in allerkürzester Zeit. Eine solche Reaktion habe ich noch nie beobachtet.«
Nate öffnete eine weitere Datei. »Der Saft enthält bestimmte Wirkstoffe. Der Gruppe meines Vaters ist es gelungen, die Substanz zu destillieren und eine Papierchromatographie anzufertigen. Während Kopalbäume reich an Kohlenwasserstoffen sind, enthält der Saft der Yagga zahlreiche Proteine .«
Kelly starrte entgeistert auf den Bildschirm. »Proteine?«
Manny rückte neben sie und blickte ihr über die Schulter. »Soll es sich bei dem Krankheitserreger nicht auch um ein Protein handeln?«
Kelly nickte. »Um ein Prion. Und zwar um eines mit ausgeprägten mutagenen Eigenschaften.« Sie blickte sich zu Manny um. »Sie haben erwähnt, Sie hätten eine Theorie zu den Piranhas und Heuschrecken.«
Manny nickte. »Die stehen ebenfalls mit der Yagga in Verbindung. Die Heuschrecken leben in der Rinde. Ihr Bau ähnelt einem Wespennest. Und die Piranhas – deren Brutstätte befindet sich in einem im Wurzelwerk versteckten Tümpel. Es tropfte sogar Saft hinein. Ich glaube, der Saft löst in einem frühen Entwicklungsstadium Mutationen aus.«
»Mein Vater kommt in seinen Notizen zu einer ähnlichen
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