Operation Amazonas
Studium der Denkweise der Ban-ali und ihrer Kindererziehung verwandt. Dies alles fand er faszinierend.«
»Und was geschah dann?«, fragte Kelly.
»Gerald Clark verliebte sich in Illia. Sie heirateten im zweiten Jahr seiner Gefangenschaft. Im dritten Jahr wurde Illia schwanger. Im vierten Jahre brachte sie ein Kind zur Welt.« Er musterte die ihm zugewandten Gesichter. »Das Kind war eine Totgeburt und wies zahlreiche Mutationen auf.« Nate rief sich die Formulierung seines Vaters ins Gedächtnis. »›Ein genetisches Monstrum.‹«
Kelly zuckte zusammen.
Nate deutete auf den Laptop. »In den Aufzeichnungen sind weitere Einzelheiten zu finden. Mein Vater und der Arzt der Gruppe gelangten zu einer erschreckenden Schlussfolgerung. Der Baum hat nicht nur bei den niederen Spezies Mutationen ausgelöst. Im Laufe der Jahre hat er auch die Ban-ali verändert, was sich vorteilhaft auf ihre kognitiven Fähigkeiten, ihre Reflexe und ihre Sehkraft ausgewirkt hat. Während sie sich äußerlich gleich blieben, veränderten sie sich inwendig. Mein Vater vermutete, die Ban-ali seien der Menschheit genetisch voraus. Eines der Kriterien dafür, dass wir es mit verschiedenen Arten zu tun haben, besteht darin, dass sie keine Nachkommen miteinander zeugen können.«
»Die Totgeburt …« Manny war blass geworden.
Nate nickte. »Mein Vater gelangte zu der Überzeugung, dass die Ban-ali den Homo sapiens hinter sich gelassen haben und bereits eine eigene Spezies bilden.«
»Mein Gott«, flüsterte Kelly.
»Deshalb wollte er auch unbedingt fliehen. Diesem verderblichen Einfluss auf die Menschheit muss ein Ende gemacht werden.«
Eine Minute lang herrschte Schweigen.
Dann flüsterte Anna entsetzt: »Was sollen wir jetzt tun?«
»Wir bringen das verdammte GPS ans Laufen«, sagte Kostos energisch. »Und dann machen wir, dass wir von hier verschwinden.«
»Und in der Zwischenzeit«, setzte Carrera hinzu, »sollten wir so viel wie möglich von diesem Abwehrpulver sammeln, für alle Fälle.«
Kelly räusperte sich und stand auf. »Eine wichtige Sache haben wir vergessen. Die Seuche breitet sich in Nord- und Südamerika aus. Wie sollen wir sie heilen? Was hat Gerald Clark aus diesem Tal mit rausgeschleppt?« Kelly wandte sich Nate zu. »Ist in den Notizen Ihres Vaters irgendwo von einer ansteckenden Krankheit die Rede?«
»Nein, aufgrund der Heilkräfte des Yagga-Baums sind die Menschen hier unglaublich gesund. Allerdings gibt es ein Tabu, wonach es den Auserwählten, den Ban-ali, verboten ist, den Stamm zu verlassen. Den, der fortgeht, und alle, denen er begegnet, trifft demnach ein böser Fluch. Mein Vater hat dies als Mythos abgetan, der die Indianer vom Weggehen abhalten soll.«
»Ein Fluch, der den trifft, der fortgeht, und alle, denen er begegnet«, murmelte Manny. »Das klingt nach Ansteckung.«
Kelly wandte sich abermals an Nate. »Aber wenn das stimmt, woher stammt die Krankheit dann? Warum hat Clark auf einmal die vielen Tumore ausgebildet? Warum hat er andere angesteckt?«
»Ich vermute, das hat etwas mit dem heilkräftigen Saft der Yagga zu tun«, sagte Zane. »Vielleicht verhindert er hier den Ausbruch der Krankheit. Wenn wir aufbrechen, sollten wir unbedingt eine größere Probe davon mitnehmen. Das ist von allergrößter Bedeutung.«
Kelly ging nicht auf Zanes Bemerkung ein, sondern starrte blicklos ins Leere. »Irgendetwas haben wir übersehen … etwas Wichtiges«, sagte sie leise. Nate bezweifelte, dass die anderen sie gehört hatten.
»Ich werde mal schauen, wie mitteilsam Dakii ist«, meinte Kouwe. »Vielleicht weiß er ja etwas – nicht nur über das Schicksal der anderen Gruppe, sondern auch über die geheimnisvolle Krankheit.«
»Gut. Dann haben wir also einen Plan«, meinte Sergeant Kostos vom Eingang her. Er schwenkte den Arm durch den Raum und wies jedem Einzelnen eine Aufgabe zu. »Olin beschäftigt sich mit dem GPS. Morgen früh werden Kouwe und Anna, unsere Indianerexperten, Aufklärung betreiben und möglichst viele Informationen sammeln. Manny, Carrera und ich versuchen herauszufinden, wo das Abwehrpulver gelagert wird. Zane, Rand und Kelly passen auf Frank auf und halten sich bereit, ihn notfalls umgehend zu evakuieren. Ihnen fällt die Aufgabe zu, eine Probe vom heilkräftigen Baumsaft zu sammeln.«
Die anderen nickten. Auf diese Weise hatten sie wenigstens etwas zu tun und waren von dem biologischen Grauen abgelenkt, das in diesem unberührten Tal verborgen war.
Kouwe stand auf. »Ich fange am besten gleich an.
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