Operation Amazonas
Mann zu finden war.
Im Laufschritt eilte er durch die Nachmittagshitze auf den südlichen Stadtrand zu. Etwa zehn Straßenecken weiter bog er um die Einfassung eines brasilianischen Armeelagers. Der normalerweise verschlafene Stützpunkt summte vor Geschäftigkeit. Auf dem Fußballplatz bemerkte Nate vier Helikopter mit dem Abzeichen der Vereinigten Staaten. Einheimische säumten den Zaun, zeigten auf die fremden Militärmaschinen und unterhielten sich aufgeregt.
Ohne sich aufzuhalten, eilte Nate zu einem Betongebäude inmitten verfallener Holzhütten. Auf der Fassade prangte der Schriftzug FUNAI. Dies war die örtliche Niederlassung der brasilianischen Indianerstiftung, zuständig für die medizinische Versorgung, die Erziehung und die rechtliche Vertretung der Eingeborenenstämme, der Baniwa und Yanomami. In dem kleinen Haus waren Büros und eine Obdachlosenherberge für Indianer untergebracht, die in die Stadt kamen, um am Reichtum des weißen Mannes teilzuhaben.
Die FUNAI verfügte über einen eigenen medizinischen Berater, der ein alter Freund der Familie war und seinem Vater viel über den Amazonasdschungel beigebracht hatte.
Nate durchquerte das Vorzimmer, eilte durch einen Flur und eine Treppe hoch. Er hoffte, dass er seinen Freund im Büro antreffen würde. Als er sich der offenen Tür näherte, vernahm er die Klänge von Mozarts fünftem Violinkonzert.
Gott sei Dank!
Er klopfte an den Türrahmen. »Professor Kouwe?«
Hinter einem kleinen Schreibtisch blickte ein mokkahäutiger Indianer von einem Stapel Papiere auf. Er war Mitte fünfzig, hatte schulterlanges, an den Schläfen bereits ergrautes schwarzes Haar und trug eine Lesebrille mit Metallfassung. Als er Nate erkannte, nahm er die Brille ab und lächelte breit.
»Nathan!« Resh Kouwe erhob sich, trat um den Schreibtisch herum und begrüßte Nate mit einer Umarmung, die es mit dem Würgegriff einer Anakonda aufnehmen konnte. Trotz seiner kleinen Gestalt war der Mann stark wie ein Ochse. Ehemals Schamane des Tiríos-Stammes aus dem Süden Venezuelas, hatte Kouwe vor dreißig Jahren Nates Vater kennen gelernt und mit ihm Freundschaft geschlossen. Kouwe hatte den Dschungel mit Hilfe seines Vaters schließlich hinter sich gelassen und in Oxford einen Abschluss sowohl in Linguistik als auch in Paläanthropologie gemacht. Außerdem war er einer der bedeutendsten Experten für einheimische Pflanzen. »Mein Junge, ich kann’s einfach nicht glauben! Hat Manny Kontakt mit dir aufgenommen?«
Nathan löste sich stirnrunzend aus der Umarmung. »Nein, wovon reden Sie?«
»Er sucht nach dir. Vor einer Stunde hat er bei mir vorbeigeschaut und mich gefragt, ob ich wüsste, in welchem Dorf du gerade deine Forschungen betreibst.«
»Warum denn das?« Nathan legte die Stirn in Falten.
»Das hat er nicht gesagt, aber er war in Begleitung von so einem hohen Tier von Tellux.«
Nathan verdrehte die Augen. Tellux Pharmaceuticals war der multinationale Konzern, der seine Untersuchungen der Schamanenpraktiken finanzierte.
Kouwe bemerkte seine Verdrossenheit. »Du hast den Pakt mit dem Teufel aus freien Stücken geschlossen.«
»Als ob ich nach dem Tod meines Vaters eine andere Wahl gehabt hätte.«
Kouwe runzelte die Stirn. »Du hättest nicht so rasch aufgeben dürfen. Du warst immer schon –«
»Hören Sie«, fiel Nathan ihm ins Wort. An diese dunkle Periode seines Lebens wollte er nicht erinnert werden. Er musste die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hatte. »Ich habe momentan ein ganz anderes Problem als Tellux.« Er berichtete rasch von Tama und ihrer Krankheit. »Ich habe Bedenken hinsichtlich der Behandlung. Ich habe mir gedacht, Sie könnten vielleicht mal mit der Ärztin reden.«
Kouwe nahm einen Angelkasten aus dem Regal. »Dumme Sache, wirklich dumm«, sagte er und wandte sich zur Tür.
Nathan folgte ihm die Treppe hinunter und auf die Straße. Er musste sich beeilen, um mit dem Älteren Schritt zu halten. Kurz darauf betraten sie das Krankenhaus.
Als er Nathan erblickte, sprang Takaho auf. »Ich hab jemanden mitgebracht, der deiner Tochter vielleicht helfen kann.«
Kouwe hielt sich nicht lange auf, sondern drängte sogleich in die angrenzende Krankenstation. Nathan eilte ihm nach.
Im Zimmer herrschte Chaos. Das Gesicht der schlanken amerikanischen Ärztin glänzte vor Schweiß. Sie hatte sich über Tama gebeugt, die erneut einen heftigen Anfall hatte. Die Krankenschwestern eilten umher, um ihre Anweisungen auszuführen.
Kelly warf einen Blick auf den
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