Operation Amazonas
brennendes Magnesium vor seinem geistigen Auge. Sein neuer Arbeitgeber hatte ihn ganz beiläufig erwähnt, ohne sich seiner Bedeutung bewusst zu sein. Andernfalls hätte St. Savin vermutlich erheblich weniger geboten. Louis hätte den Job sogar für eine Flasche billigen Fusel angenommen. Er flüsterte den Namen, ließ ihn sich auf der Zunge zergehen.
»Carl Rand.«
Vor sieben Jahren hatte Louis Favre als Biologe für die Base Biologique Nationale de Recherches gearbeitet, die bedeutendste französische Wissenschaftsstiftung. Spezialisiert auf die Ökosysteme des Regenwaldes, war Louis in der ganzen Welt tätig gewesen: in Australien, Borneo, Madagaskar, im Kongo. Seit fünfzehn Jahren aber war sein Hauptforschungsgebiet der Regenwald des Amazonas. Er hatte die ganze Region bereist und sich dabei einen internationalen Ruf erworben.
Das galt jedenfalls so lange, bis er dem verfluchten Dr. Carl Rand begegnete.
Dem amerikanischen Pharmazieunternehmer waren Louis’ Forschungsmethoden suspekt geworden, nachdem er zufällig an der Befragung eines eingeborenen Schamanen teilgenommen hatte. Dr. Rand war der Ansicht gewesen, es sei keine akzeptable Art der Informationsbeschaffung, dem verschlossenen Indianer einen Finger nach dem anderen abzuschneiden. Nicht einmal durch eine hohe Geldsumme hatte sich der pingelige Amerikaner vom Gegenteil überzeugen lassen. Die im Dorf gefundenen, unter Naturschutz stehenden schwarzen Kaimane und die Jaguarfelle waren natürlich auch nicht hilfreich gewesen. Dr. Rand hatte kein Verständnis dafür gehabt, dass es lediglich eine Frage des gewählten Lebensstils war, wenn man sein Einkommen mit Schwarzmarkterlösen aufbesserte.
Bedauerlicherweise war Carl mit seinen brasilianischen Soldaten in der Übermacht gewesen. Louis wurde festgenommen und von der brasilianischen Armee inhaftiert. Zum Glück hatte er gute Beziehungen in Frankreich und besaß genug Geld, um ein paar korrupte brasilianische Beamten schmieren zu können, die ihm nur ein bisschen auf die Finger klopften und ihn dann laufen ließen.
Die symbolische Ohrfeige aber wog schwerer. Der Vorfall hatte seinem Namen irreparablen Schaden zugefügt. Er war gezwungen, mit leeren Taschen aus Brasilien nach Französisch-Guayana zu flüchten. Um einen Einfall nie verlegen, hatte er mittels seiner guten Kontakte zum Schwarzmarkt eine Söldnertruppe aufgestellt. In den vergangenen fünf Jahren hatte diese Gruppe Drogenlieferungen aus Kolumbien beschützt, verschiedene seltene und vom Aussterben bedrohte Tierarten für Privatsammler gejagt, einen lästigen brasilianischen Regierungsbeamten eliminiert, der eine Konzession zur Goldförderung blockierte, und sogar ein kleines Bauerndorf ausgelöscht, dessen Bewohner sich gegen eine Holzverwertungsgesellschaft zur Wehr setzten. Gute Geschäfte lagen auf der Straße.
Und jetzt das neueste Angebot: Er sollte ein Team des USMilitärs aufspüren, das nach Carl Rands vermisster Expedition suchen wollte, und ihm abnehmen, was immer es entdeckte. Und dies alles, um einer Substanz mit regenerativen Fähigkeiten habhaft zu werden, der Rands Gruppe angeblich auf der Spur war.
Dieser Auftrag war in keiner Weise ungewöhnlich. In den vergangenen Jahren war die Jagd auf neue Wirkstoffe aus dem Regenwald immer verbissener geworden – eine Multimilliardenindustrie. Die Suche nach dem »grünen Gold«, der neuen Wunderdroge, hatte im Amazonasgebiet zu einem neuen Goldrausch geführt. In den unwegsamen Tiefen des Waldes, wo Millionen von Dollar auf die Subsistenzwirtschaft der mausearmen Bauern und Indianer traf, waren Verrat und Gräuel an der Tagesordnung. Hier gab es keine Zeugen. Alljährlich fielen im Dschungel tausende Menschen Krankheiten, Angriffen von wilden Tieren oder ihren Verletzungen zum Opfer. Was machten da schon ein paar mehr Tote aus – ein Biologe, ein Ethnobotaniker, ein Wirkstoff forscher?
Das war geschenktes Geld.
Und Louis Favre war entschlossen, am Spiel teilzunehmen, im Auftrag eines französischen Pharmazieunternehmens. Lächelnd erhob er sich. Als er vor vier Jahren von Carl Rands Verschwinden erfuhr, hatte er frohlockt. An dem Abend hatte er sich betrunken und auf das Missgeschick des Mannes angestoßen. Jetzt würde er den letzten Nagel in den Sarg dieses Mistkerls schlagen, indem er ihm seine Entdeckung raubte und noch mehr Leichen auf sein Grab häufte.
Louis öffnete die Tür des Salons und trat hinaus.
»Ich hoffe, das Gespräch verlief zu Ihrer Zufriedenheit, Dr. Favre!«,
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