Operation Amazonas
Übertragung ganz blass ausgesehen. »Wir wissen jetzt, dass die Ansteckung durch die Luft erfolgt. Körperkontakt ist nicht erforderlich.« Kelly wusste, was das bedeutete. Krankheitserreger mit diesem Übertragungsweg waren am schwersten einzudämmen. Und bei der hohen Todesrate …
»Es gibt bloß eine einzige Hoffnung«, hatte ihre Mutter abschließend gesagt. »Wir benötigen ein Heilmittel.«
Kelly setzte die Feldflasche an die Lippen und trank in tiefen, bedächtigen Zügen. Sie wusste, dass sie so schnell nicht wieder einschlafen würde. Behutsam kletterte sie aus der Hängematte.
Der Wachposten am Feuer wandte sich zu ihr um. Da sie noch die Sachen von gestern anhatte – ein graues T-Shirt und eine braune Hose –, brauchte sie bloß in die Stiefel zu schlüpfen. Sie zeigte zum Eingang, denn sie wollte sich ein wenig die Beine vertreten, ohne den Schlaf der anderen zu stören.
Der Ranger nickte.
Kelly tappte zum Eingang des Shabano . Sie trat gebückt hindurch und erblickte Private Carrera, die vor dem Rundhaus Wache hielt.
»Ich muss mal ein bisschen frische Luft schnappen«, flüsterte Kelly.
Die Rangerin nickte und zeigte mit der Waffe zum Fluss. »Da sind Sie nicht die Einzige.«
Kelly bemerkte eine Gestalt, die ein paar Meter vom Weg entfernt am Flussufer stand. Der Silhouette nach zu schließen war es Nathan Rand. Abgesehen von den beiden Rangern, die ein Stück weiter flussaufwärts standen und anhand ihrer Taschenlampen leicht auszumachen waren, war er allein.
»Halten Sie sich vom Wasser fern«, meinte Private Carrera warnend. »Wir haben nicht genug Bewegungsmelder, um das ganze Ufer zu sichern.«
»Mach ich.« Kelly erinnerte sich nur allzu gut, wie es Corporal DeMartini ergangen war.
Als sie den Pfad entlangging, lauschte sie auf das Gezirpe der Heuschrecken, das begleitet wurde vom leisen Quaken zahlloser Frösche. Es war ein friedliches Geräusch. In der Ferne tanzten Glühwürmchen im Geäst und beschrieben anmutig Kreise über dem Fluss.
Der einsame Betrachter hörte Kellys Schritte. Nathan drehte sich um. Er hatte eine Zigarette zwischen den Lippen; die Glut leuchtete rot.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie rauchen«, sagte Kelly, stellte sich neben ihn und blickte von der Uferböschung aus auf den Fluss.
»Tu ich auch nicht«, erwiderte er grinsend und stieß eine Rauchwolke aus. »Jedenfalls nicht oft. Die hab ich von Corporal Conger geschnorrt.« Er zeigte zu den beiden Wachposten hinüber. »Hab seit vier, fünf Monaten keine mehr angerührt, aber … ich weiß auch nicht …, ich glaube, ich hab einen Vorwand gebraucht, um hierher zu kommen.«
»Ich verstehe, was Sie meinen. Ich bin hergekommen, um etwas frische Luft zu schnappen.« Sie streckte die Hand aus.
Er reichte ihr die Zigarette.
Sie nahm einen tiefen Zug und stieß den Rauch aus. Ihre Anspannung ließ nach. »Es geht doch nichts über frische Luft.« Sie reichte ihm die Zigarette zurück.
Er nahm einen letzten Zug, dann ließ er den Stummel fallen und trat die Glut aus. »Irgendwann bringen sie einen um.«
Schweigend schauten sie auf den still vorbeifließenden Fluss hinaus. Zwei Fledermäuse glitten auf der Jagd nach Fischen übers Wasser, in der Ferne rief gedehnt und klagend ein Vogel.
»Es wird ihr schon nichts passieren«, sagte Nate so leise, dass sie ihn kaum verstand.
Kelly blickte ihn an. »Was?«
»Jessie, Ihrer Tochter … Es wird schon alles gut gehen.«
Kelly war einen Moment sprachlos.
»Tut mir Leid«, murmelte Nate. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
Sie berührte ihn am Ellbogen. »Nein, ich bin Ihnen dankbar … wirklich. Ich hätte bloß nicht gedacht, dass man mir meine Sorgen ansieht.«
»Sie mögen eine prima Ärztin sein, aber vor allem sind Sie eine Mutter.«
Kelly schwieg einen Moment, dann sagte sie leise: »Das ist noch nicht alles. Jess ist mein einziges Kind. Das einzige, das ich jemals haben werde.«
»Wie meinen Sie das?«
Kelly wusste nicht genau, weshalb sie Nate davon erzählte; sie wusste bloß, dass es ihr gut tat, ihre Ängste offen auszusprechen. »Bei Jessies Geburt gab es Komplikationen … Man musste einen Noteingriff vornehmen.« Sie sah Nate an, dann wandte sie den Blick wieder ab. »Jetzt kann ich keine Kinder mehr bekommen.«
»Das tut mir Leid.«
Sie lächelte müde. »Das ist schon lange her. Ich hab mich damit abgefunden. Aber jetzt, da Jessie in Gefahr ist …«
Nate ließ sich seufzend auf einem umgestürzten Baumstamm nieder. »Das verstehe ich gut. Sie sind hier im
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