Operation Amazonas
nun auf. »Was kann das gewesen sein?«
Nate schüttelte den Kopf. »Ein derartiges Verhalten habe ich noch nie beobachtet.« Er blickte zu den beiden patrouillierenden Rangern hinüber. Auch sie beobachteten die Parade der Delfine. »Ich brauche mehr Licht.«
Nate eilte am Ufer entlang auf die Soldaten zu. Kelly folgte ihm aufgeregt. Die Ranger standen an einem kleinen Bach, der in den Fluss mündete.
»Corporal Conger, würden Sie mir mal Ihre Taschenlampe borgen?«, fragte Nate.
»Das sind doch bloß Delfine«, erwiderte der andere Soldat. Es war Staff Sergeant Kostos. Der dunkelhäutige Mann blickte sie finster an. »Von denen haben wir auf Nachtwache schon viele gesehen. Aber da haben Sie ja gemütlich in der Hängematte geschlafen.«
Der jüngere Ranger war hilfsbereiter. »Hier, Dr. Rand«, sagte Corporal Conger und reichte ihm die Taschenlampe.
Nathan bedankte sich halblaut. Er kletterte die Uferböschung hinunter und leuchtete stromaufwärts. Noch immer schwammen Delfine vorbei, jedoch nicht mehr so viele wie zuvor. Nate stellte den Lichtstrahl breiter und richtete ihn auf den Fluss.
»Verdammt«, sagte Nate.
Fast schon außerhalb der Reichweite der Taschenlampe brodelte schäumend und gurgelnd die Wasseroberfläche, wie bei einer Stromschnelle. Bloß dass diese Stromschnelle flussabwärts wanderte und sich ihnen näherte.
»Was ist denn das?«, fragte Kelly.
Ein zweiter Delfin rammte das Ufer und landete klatschend im Morast, konnte sich aber nicht so rasch wieder befreien wie der erste. Er wälzte sich am Ufer und stieß dabei ein hochfrequentes Quieken aus. Nate schwenkte die Taschenlampe herum. Kelly sog scharf die Luft ein und wich ein paar Schritte zurück.
Das Schwanzende des Delfins fehlte. Der Bauch war aufgerissen. Die Eingeweide hingen heraus. Die Strömung riss das bedauernswerte Geschöpf zurück in den Fluss.
Nathan richtete die Taschenlampe wieder flussaufwärts. Das brodelnde Wasser war erheblich näher gekommen.
»Was’n das?«, fragte Corporal Conger in breitem Texanisch. »Was geht da vor?«
Ein Stück weiter flussaufwärts zerriss das Qieken eines Schweins die Nacht. Vögel flogen auf. Affen erwachten und brüllten verwirrt.
»Was geht da vor?«, wiederholte der Texaner.
»Ich brauche mal Ihre Nachtsichtbrille«, sagte Nate.
Kelly stand hinter seiner Schulter. »Was ist das?«
Nate riss dem Ranger die Brille aus der Hand. »Ich habe auch früher schon Flüsse auf diese Weise brodeln sehen – aber so stark noch nie.«
»Was ist der Grund?«, fragte Kelly.
Nate setzte die Brille auf. »Piranhas«, sagte er. »Piranhas im Blutrausch.«
Die Nachtsichtbrille machte die Nacht zum Tag und färbte gleichzeitig alles einheitlich grün. Nate schwenkte den Kopf, bis er die brodelnde Stelle im Blick hatte. Er erhöhte die Vergrößerung. Inmitten des aufgewühlten Wassers machte er große Flossen aus – Delfine, die von den Raubfischen mit messerscharfen Zähnen zerrissen wurden –, und hin und wieder blitzten auch die gefährlichen Räuber, die sich an ihrer Beute weideten, silbrig auf.
»Na und, was soll’s?«, meinte Kostos angewidert. »Sollen die Viecher meinetwegen die Delfine zerfleischen. Uns können sie ja wohl kaum gefährlich werden.«
Der Sergeant hatte Recht, doch Nate musste an die massakrierten Indianer denken … und an ihre Angst vor dem Fluss. War das die Gefahr? Wimmelte er hier so sehr von Piranhas, dass die Indianer sich nicht trauten, den Fluss nachts zu befahren? Waren sie deshalb zu Fuß geflüchtet? Aber dass die Piranhas über Delfine herfielen …, das ergab keinen Sinn. Von einem solchen Gemetzel hatte Nate noch nie gehört.
Am Rande des Gesichtsfelds nahm er eine Bewegung wahr. Am Ufer machte er einen Kadaver aus. Anscheinend handelte es sich um ein Pekari, eine Art Wildschwein. War dies das Schwein, das gerade eben geschrien hatte? Mehrere kleinere Tiere hüpften um den Kadaver herum. Sie ähnelten übergroßen Ochsenfröschen, bloß dass es so aussah, als verbissen sie sich in dem toten Schwein und zerrten es aufs Wasser zu.
»Was zum Teufel …« murmelte Nate.
»Was gibt’s?«, fragte Kelly. »Was sehen Sie?«
Nate zoomte das Bild noch ein bisschen näher heran. Weitere ochsenfroschähnliche Wesen hüpften aus dem Wasser und fielen über den Kadaver her. Einige schnellten sich über das Ufer hinweg und verschwanden im Laubwerk. Plötzlich kam ein großes Capybara aus dem Dschungel hervor und rannte am Ufer entlang. Dann stolperte es auf einmal über
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