Operation Amazonas
und arbeitete im Schein der Taschenlampen. Kelly und Kouwe leuchteten ihm. Zuvor hatte der brasilianische Biologe unter Lebensgefahr eines der von einem Feuerstoß des Flammenwerfers getöteten Tiere aufgesammelt. Das Exemplar war zwar teilweise verkohlt, ansonsten aber noch recht gut erhalten. Von der Schwanzspitze bis zu den messerscharfen Zähnen maß es etwa dreißig Zentimeter. Es hatte große, schwarze Glubschaugen, die ihm annähernd 360-GradRundumsicht ermöglichten. Die kräftigen Gliedmaßen endeten in mit Saugnäpfen versehenen und mit Schwimmhäuten verbundenen Zehen, die beinahe so lang waren wie der ganze Körper.
Mit Hilfe eines Skalpells und einer Pinzette, die Kelly ihm gegeben hatte, sezierte Manny das Tier.
»Erstaunlich«, murmelte Manny schließlich.
Nate trat zu ihnen.
»Offenbar eine Art Chimäre. Ein Mischwesen.«
»Inwiefern?«, fragte Kelly.
Manny rückte ein Stück beiseite und deutete mit der Daumenpinzette. »Nathan hatte Recht. Obwohl es keine Schuppen besitzt, atmet es wie ein Wasserlebewesen. Es hat Kiemen, keine Lunge. Die Beine jedoch – beachten Sie die Bänder! – sind eindeutig amphibisch. Das Streifenmuster ist typisch für den Phobobates trivittatus , den gestreiften Pfeilgiftfrosch, den größten und giftigsten Vertreter der Familie der Frösche.«
»Glaubst du, es handelt sich um eine Mutation?«, fragte Nate.
»Das hab ich anfangs auch gedacht. Das Tier ähnelt einer Kaulquappe, deren Wachstum zu einem Zeitpunkt, da die Kiemen noch vorhanden und die Hinterbeine bereits ausgebildet sind, zum Stillstand gekommen ist. Dann aber bekam ich Zweifel. Zunächst mal ist das Tier übermäßig groß. Es wiegt bestimmt fünf Pfund. So schwer wird nicht mal der Pfeilgiftfrosch.«
Manny wälzte das sezierte Tier herum und deutete auf Augen und Zähne. »Außerdem ist der Schädel völlig missgestaltet. Die Hirnschale ist nicht horizontal abgeflacht wie bei einem Frosch, sondern vertikal wie bei einem Fisch. Schädelform, Kiefer und Zähne entsprechen weitgehend einem häufig vorkommenden Raubfisch des Amazonas – dem Serrasalmus rhombeus .« Manny schaute hoch. »Dem schwarzen Piranha.«
Kelly richtete sich auf. »Das ist unmöglich.«
»Wenn das Tier nicht vor mir läge, würde ich Ihnen zustimmen.« Auch Manny richtete sich auf. »Ich habe mich mein Leben lang mit den Tieren des Amazonasgebietes befasst und bislang nichts Vergleichbares gesehen. Das ist tatsächlich eine Chimäre. Ein Wesen, das die biologischen Eigenschaften von Frosch und Fisch in sich vereint.«
Nate beäugte das Wesen. »Wie ist das möglich?«
Manny schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Es ist ebenso unvorstellbar, wie dass sich ein fehlender Arm regeneriert. Ich glaube, die Chimäre zeigt, dass wir auf der richtigen Spur sind. Hier draußen gibt es etwas mit hoher mutagener Potenz, und die Expedition deines Vaters ist darauf gestoßen.«
Nate blickte die sezierten Überreste des Wesens an. Was zum Teufel geht hier vor?
Private Carrera stieß einen Warnruf aus. Sie bewachte die Nordseite des Hügels. »Sie kommen näher!«
Nate stand auf. Das Rascheln war lauter geworden. Es hörte sich an, als wäre der ganze Wald in Bewegung geraten.
Carrera betätigte den Flammenwerfer. Die Flammenzunge drängte die Dunkelheit zurück. Der Feuerschein wurde von hunderten kleinen Augen reflektiert, die vom Waldboden und von den Bäumen zu ihnen emporlugten. Eines der Tiere sprang von einem Palmwedel in die Feuerzone hinein. Ein automatisches Gewehr knatterte los, und das Tier wurde zu blutigem Mus zerfetzt.
»Alle zurück!«, rief Carrera. »Sie kommen!«
Von Bäumen und aus dem Unterholz hüpften kleine Tiere auf sie zu, ohne sich durch das Feuer und die Kugeln aufhalten zu lassen. Offenbar waren sie entschlossen, die Verteidiger mit ihrer schieren Übermacht zu überrennen.
Nate musste an das Massaker an den Indianern denken. Die Geschichte wiederholte sich. Er riss das Gewehr von der Schulter, zielte und zerfetzte ein Tier, gerade als es von einem Ast auf Carrera hinunterspringen wollte. Eingeweide regneten auf sie herab.
Sie waren gezwungen, die Hügelkuppe aufzugeben und sich über den Südhang zurückzuziehen. Schüsse knallten, Flammen erhellten die Nacht. Taschenlampen tanzten und versetzten alle Schatten in ruckhafte, zuckende Bewegung.
Corporal Okamoto schwenkte den Feuerstrahl des Flammenwerfers über den Südhang. »Der Weg scheint noch frei zu sein!«, rief er.
Nate riskierte einen Blick in die Richtung.
Weitere Kostenlose Bücher