Operation Arche - 1
Mach Vier zurückgelegt. Im gleichen Moment, in dem es sein Ziel erreicht hatte, aktivierte die KI auf Merlins Geheiß hin auch schon das Traktorfeld, um Merlin aus dem Fenster seines Gemachs heraufzuheben, und kurz darauf setzte er Merlin auch schon auf dem Dach von Tirians Stadtvilla in Tellesberg ab. Der Transport durch den windgepeitschten Regen und den grollenden Donner, gehalten nur von einem Traktorfeld, während rings um Merlin zischend zahllose Blitze aufflammten, war ein Erlebnis, auf das er liebend gerne hätte verzichten können. Bedauerlicherweise war ihm nun einmal keine andere Wahl geblieben.
Er hatte sein Ziel erreicht und lauschte dank Gray Harbors Sonde immer noch den Gesprächen. Etwa zu dem Zeitpunkt, da Tirian seinem Schwiegervater das Glas mit dem Brandy reichte, war Merlin fast ebenso betäubt von Tirians Schuldeingeständnis wie Gray Harbor selbst … und auch davon, wie lange der Herzog sich schon aktiv des Hochverrats schuldig gemacht hatte. Merlin hatte Haarahld und Cayleb gegenüber die Wahrheit gesagt, als er darauf hinwies, dass er nicht in die Vergangenheit blicken konnte, und so hatte Merlin tatsächlich keine Ahnung, dass Tirian schon seit so langer Zeit Pläne gegen seinen Vetter und auch gegen dessen Sohn schmiedete.
Und das hatte ihn in diese recht knifflige Lage gebracht: Nun stand er in der Bibliothek des Herzogs von Tirian dem Vetter des Königs von Charis gegenüber, und ebenso fünfzehn handverlesenen Mitgliedern seiner Garde. »… gegen Eure Pläne Einwände erhebe.«
Wie gelähmt saß Graf Gray Harbor in seinem Sessel und starrte die geisterhafte Erscheinung an, die plötzlich aus der Nacht hier hereingestürzt war. Dieser Mann, dem er misstraut hatte und dem er seine Anschuldigungen verübelte … der jetzt zwischen ihm und fünfzehn bewaffneten Männern im Dienste eines Verräters stand, eines Mannes, der einen Königsmord plante.
»Es will mir scheinen«, sagte sein Schwiegersohn, nachdem eine halbe Ewigkeit vergangen schien, »als hätte ich Euch unterschätzt, Seijin Merlin.«
Gray Harbor konnte kaum glauben, wie ruhig Kahlvyns Stimme klang. Der Herzog konnte doch unmöglich so gefasst sein, so selbstsicher. Oder vielleicht doch. Was auch immer das hier bedeuten mochte, zumindest wusste der Graf jetzt, dass der Mann, den er zu kennen geglaubt hatte, ihm in Wahrheit völlig fremd war.
»Ich könnte das Gleiche von Ihnen sagen, Euer Durchlaucht«, erwiderte Merlin und lächelte erneut dieses dünne Lächeln.
Der Seijin stand völlig ruhig da, seine Körpersprache wirkte fast entspannt. Er ignorierte den Mann, dem er Hand und Handgelenk abgetrennt hatte, während Hauwyrd in die Knie sank und sein Blut einen leicht nach Eisen riechenden See auf dem Boden bildete. Sein Schwert hielt der Seijin nach wie vor in der Hand, jederzeit kampfbereit, das aber in einer Pose, die Gray Harbor – selbst im Schwertkampf äußerst bewandert – noch nie gesehen hatte, und Gefahr schien von dem Fremden auszugehen wie Rauchschwaden, während über ihren Köpfen erneut der Donner grollte.
»Gewiss«, sagte Tirian jetzt, »seid Ihr nicht töricht genug zu glauben, Ihr könntet meinen Schwiegervater retten und dieses Haus hier lebend verlassen?«
»Nicht?« Merlin klang fast belustigt, bemerkte Gray Harbor, und sein Unglaube nahm nur noch weiter zu.
»Also bitte!« Tirian lachte leise, während seine Gardisten sich langsam und vorsichtig näherten und Stellung zwischen ihrem Dienstherren und Merlin bezogen. »Es hat doch keinen Sinn, sich hier irgendetwas vorzumachen, nicht wahr? So wie ich das sehe, habt Ihr nur zwei Möglichkeiten: Entweder, Ihr schließt Euch mir an, oder Ihr sterbt. Ich gebe gerne zu, dass Ihr, nachdem ich Eure Fähigkeiten bislang so sträflich unterschätzt habe, ein äußerst wertvoller Verbündeter wärt. Andererseits hatte ich sowieso die Absicht, Euch zu töten, also …« – er zuckte die Achseln – »… würde es mir auch nicht gerade das Herz brechen, bei dieser Lösung des Problems zu bleiben, wenn Sie weiterhin so stur bleiben. Aber bevor Ihr diese Entscheidung trefft, würde ich Euch raten, sie genau zu überdenken. Was glaubt Ihr denn wohl, wie Eure Chancen stehen, fünfzehn meiner besten Männer zu besiegen?«
»Überdurchschnittlich gut«, erwiderte Merlin und griff an. Frahnk Zhahnsyn war ein Veteran der Royal Charisian Marines. Acht Jahre hatte er dort gedient, bevor ihn ein deutlich jüngerer Kahlvyn Ahrmahk als Sergeant in die Leibgarde
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