Operation Arche - 1
Tür gehämmert wurde, war das lautstark genug, um ihn sogar trotz des tosenden Sturmes aus dem Schlaf zu reißen.
Das Erste, was er verspürte, war nackte Panik. Kein Spion wollte miterleben müssen, wie die Obrigkeit mitten in der Nacht gegen seine Tür hämmerte, und er konnte sich nur sehr wenige Personen vorstellen, die nicht in offiziellem Auftrag handelten und trotzdem um diese Zeit und bei diesem Wetter hier erscheinen könnten. Doch dann legte sich seine Panik wieder ein wenig. Wenn die Agenten im Auftrag von Baron Wave Thunder einem mutmaßlichen Spion einen Besuch abstatteten, dann waren sie nur selten höflich genug, überhaupt anzuklopfen. Normalerweise verwandelten sich bei derartigen Besuchen die Haustür in umherfliegende Holzsplitter, auch wenn sie in den (seltenen) Fällen, in denen sie tatsächlich die Tür eines Unschuldigen demolierten, später äußerst sorgfältig für Ersatz sorgten.
Dennoch war es immer noch unwahrscheinlich, dass derjenige, der sich die Mühe machte anzuklopfen, tatsächlich in offiziellem Auftrag hier war, und Lahang merkte, wie sich sein Pulsschlag etwas verlangsamte, als er aus dem Bett stieg.
Er hatte diese Wohnung nicht nur ausgewählt, weil sie fast im Herzen der Stadt lag, und auch nicht nur, weil das Dach groß genug war, um dort seine Wyvernschläge aufzustellen. Natürlich hatten auch diese Faktoren zu der Entscheidung beigetragen, aber viel wichtiger als diese war, dass im Erdgeschoss ein Schiffsbedarfshändler seinen Laden hatte, der zwar tagsüber viel Kundschaft hatte, über Nacht jedoch schloss, sodass der Laden leer stand. Damit gewann Lahang ein gewisses Maß an Anonymität und Privatsphäre, wenn er denn gelegentlich nach Geschäfts-Schluss noch Besucher empfing. Zusätzlich hatte er noch einige andere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, von denen sein Vermieter nichts wusste, und nun blieb er ein Stück weit neben seiner Wohnungstür im zweiten Stockwerk stehen und spähte durch das unauffällige Loch, das er in die Wand gebohrt hatte.
Weder im Flur noch im Treppenhaus gab es Lampen. Da üblicherweise nach Einbruch der Dunkelheit kein Besuch empfangen wurde, war es ja sinnlos, das Risiko eines Brandes einzugehen, der durch eine unbewachte Kerze oder Lampe nur zu leicht entfacht werden konnte. Doch Lahangs Besuch hatte eine Blendlaterne bei sich, und Lahang hob erstaunt die Augenbrauen, als er im Schein des Lichtkegels, der aus dem Schlitz strömte, den Mann vor seiner Tür erkannte.
Sofort kehrte seine Unruhe wieder zurück, wenn er auch nicht mehr ganz genau wusste, was ihn hier eigentlich so beunruhigte. Im Verlauf der letzten Jahre hatte Marhys Wyllyms ihm schon so manche Nachricht überbracht, und Lahang wusste sehr genau, dass Herzog Tirian seinem Haushofmeister vollends vertraute und große Stücke auf dessen Verschwiegenheit hielt. Doch bislang war Wyllyms noch nie ohne Vorwarnung mitten in der Nacht hier erschienen, oder ohne eines der anderen Signale, auf die sich Tirian und Lahang verständigt hatten, um den jeweils anderen davon in Kenntnis zu setzen, dass sie unbedingt würden Kontakt aufnehmen müssen. Unerwartete Nachrichten oder Besuche wie diese hier, vor allem, wenn man dabei so sehr das Risiko einging, entdeckt zu werden, waren einem Spion nur unwesentlich weniger unangenehm als plötzlich hereinstürmende Diener oder Vertreter der Krone.
Er holte tief Luft, öffnete die Tür einen Spalt weit, ließ dabei aber die Sicherungskette verriegelt, und spähte hinaus.
»Was ist?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Ich bringe ein Päckchen des Herzogs«, erwiderte Wyllyms.
»Ja, dann geben Sie her«, sagte Lahang knapp und streckte die Hand durch den Türspalt.
»Das wird nicht passen«, erwiderte Wyllyms und zog ein dickes Paket, mit Öltuch gegen den Regen geschützt, unter seinem tropfnassen Poncho hervor.
»Was ist das?«, fragte Lahang nach und machte sich bereits daran, die Kette zu lösen.
»Das hat er mir nicht gesagt.« Wyllyms zuckte mit den Schultern. »Aber es hat ein wenig Ärger in der Stadtvilla gegeben. Es würde mich nicht wundern, wenn das Unterlagen wären, die er dringend hat loswerden müssen.«
»›Ärger‹?« Lahang blickte seinen Besucher scharf an, während er die Tür ganz öffnete. »Was für ›Ärger‹?«
»Nichts, womit wir nicht würden fertig werden können, denke ich«, entgegnete Wyllyms und reichte ihm das Paket. Fast geistesabwesend nahm der Spion es entgegen, und sein Blick war so fest auf Wyllyms
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