Operation Arche - 1
gehen, auf dass wir in einer angemessenen Umgebung miteinander sprechen können.« Pei Kau-yung saß in dem bequemen Sessel, und seine Miene war eine ausdruckslose Maske, während er der Debatte lauschte.
Die G6-Sonne, die man zu Ehren seines Bruders Kau-zhi getauft hatte, stand am Himmel, er konnte sie durch das Fenster hindurch erkennen. Die Mittagsstunde war gerade vorüber, und der Sommer im Norden war heiß, doch eine kühle Brise wehte vom Pei-See durch das offene Fenster herein; nur mit Mühe konnte er es sich verkneifen, eine Grimasse zu schneiden, als der Wind nun über sein Gesicht strich.
Die Dreckskerle konnten uns wirklich nicht genug mit ›Ehren‹ überhäufen, was? Haben die Sonne dieses Systems nach Kau-zhi benannt. Den See auch, nehme ich an – oder vielleicht bewusst nach uns beiden. Vielleicht sogar nach Shan-wei – wäre zu dem Zeitpunkt ja auch möglich gewesen. Aber mehr wird es auch nicht geben. Ich frage mich, ob die von der Einsatzleitung Langhorne und Bédard ausgewählt haben, weil die Planer wussten, dass die beiden wirklich größenwahnsinnig sind?
Er versuchte sich selbst einzureden, dass diese Gedanken und dieser Verdruss nur die unweigerliche Folge davon waren, die beiden fast sechzig Standardjahre – nach örtlicher Zeitmessung fast fünfundsechzig Jahre – im Einsatz zu sehen. Bedauerlicherweise konnte er den Gedanken nicht ganz abschütteln, die Leute, die Eric Langhorne als Leitenden Administrator der Kolonie und Dr. Adoree Bédard als leitende Psychologin ausgewählt hatten, hätten vielleicht doch genau gewusst, was sie da taten. Schließlich war das Überleben der Menschheit – um jeden Preis! – viel wichtiger als irgendwelche geringfügigen Beschränkungen grundlegender Menschenrechte.
»… und wir beschwören Sie erneut«, sagte die schlanke Frau mit dem silbergrauen Haar, die jetzt in der Mitte des zugigen Anhörungsraums stand, »zu berücksichtigen, wie unerlässlich es ist, dass, während die Kultur der Menschen auf diesem Planeten wächst und reift, sich die Menschen dort an die Gbaba erinnern. Dass sie verstehen, warum wir hierher gekommen sind, und warum wir auf jegliche fortschrittlichere Technologie verzichten.«
Aus seinen braunen Augen schaute Kau-yung sie starr an. Sie blickte nicht einmal in seine Richtung, und er spürte, dass einer oder zwei der Verwaltungsräte ihm Blicke zuwarfen, in denen vielleicht nicht offen zur Schau gestelltes Mitgefühl lag. Oder, in manchen Fällen, unterdrückte Belustigung.
»Wir haben sämtliche dieser Argumente schon mehrmals gehört, Dr. Pei«, sagte jetzt Eric Langhorne. »Wir verstehen auch, warum Sie diesen Punkt ansprechen. Aber ich fürchte, das nichts von dem, was Sie hier vorbringen, die von uns etablierte Verfahrensweise ändern wird.«
»Herr Administrator«, gab Pei Shan-wei zurück, »Ihre ›etablierte Verfahrensweise‹ lässt dabei vollkommen die Tatsache außer Acht, dass der Mensch schon immer Werkzeuge konstruiert und Probleme gelöst hat. Letztendlich werden sich diese Charakteristika auch auf Safehold wieder manifestieren. Und wenn das geschieht, ohne dass es eine institutionalisierte Erinnerung daran gibt, was mit der Föderation geschehen ist, werden unsere Nachfahren nichts von den Gefahren wissen, die dort draußen auf sie warten.«
»Diese Sorge ist die Folge eines falschen Verständnisses der Gesellschaftsmatrix, die wir hier erschaffen, Dr. Pei«, meldete sich jetzt Adoree Bédard zu Wort. »Ich versichere Ihnen, mit den Sicherheitsvorkehrungen, die wir dort getroffen haben, werden alle Bewohner von Safehold von sämtlichen Formen der Technologie ferngehalten, die möglicherweise die Aufmerksamkeit der Gbaba auf sich lenken könnten. Es sei denn, natürlich« – die Augen der Psychiaterin verengten sich zu schmalen Schlitzen – »es käme zu einem externen Stimulus, der die Parameter unserer Matrix verletzen würde.«
»Ich bezweifle nicht, dass Sie sowohl für die einzelnen Individuen, als auch für die Gesellschaft im Ganzen eine anti-technologische Denkart etablieren können – dass Sie das sogar schon getan haben«, erwiderte Shan-wei. Sie sprach mit ruhiger Stimme, doch es bedurfte nicht der psychologischen Schulung einer Dr. Bédard, um Shan-wei den Abscheu und die persönliche Antipathie dieser Psychiaterin gegenüber dennoch anzumerken. »Ich glaube lediglich, dass, was immer Sie im Augenblick bewirken können, welche Sicherheitsvorkehrungen Sie im Augenblick treffen und in
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