Operation Arche - 1
auch nachkommen: Woher habt Ihr das gewusst?«
Trotz des fast belustigten Tonfalls wurde der Blick aus den braunen Augen des Königs deutlich schärfer, und er beugte sich in seinem Sessel ein wenig vor.
»Euer Majestät«, setzte Merlin an, »diese drei Männer …« – er vollführte eine Handbewegung, die den Kammerherrn und die beiden Gardisten gleichermaßen einschloss – »… sind Euch, so denke ich, bis zum Tode treu ergeben, und ebenso Eurem Sohn und Eurem ganzen Haus. Ich vertraue ihnen ebenso, wie Ihr das tut. Und Bischof Maikel ist Euer Beichtvater seit … wie lange? Fünfzehn Jahren? Doch auch wenn das, was ich nun berichten werde, Euch zu glauben schwer fallen wird, so hoffe ich doch in der Lage zu sein, Euch zu beweisen, dass ich die Wahrheit sage. Und ich glaube, dass, wenn ich Euch eben das beweisen kann, Ihr versteht, warum es so lange wie nur irgend möglich als Geheimnis bewahrt werden muss.«
Er hielt inne, und der König nickte, ohne seine Gefolgsleute auch nur anzublicken. Alle drei bedachten Merlin weiterhin mit misstrauischen Blicken, doch Merlin sah, wie sie die Schultern strafften und ihre Mienen sehr viel zuversichtlicher wurden, nachdem der König das Vertrauen, das er zweifellos in sie setzte, so offen gezeigt hatte. Bischof Maikel trat nur einen halben Schritt näher an den Sessel des Königs heran und legte ihm eine große, kräftige Hand sanft auf die Schulter.
»Wie Prinz Cayleb und Lieutenant Falkhan Euch zweifellos bereits berichtet haben werden, Euer Majestät«, fuhr Merlin dann fort, »habe ich viele Jahre in den Bergen des Lichts gelebt, und währenddessen habe ich einige, wenngleich noch lange nicht alle, der Fähigkeiten erworben, die den Seijin zugeschrieben werden. Dies ist kein Titel, den ich leichthin für mich selbst beanspruchen würde, doch es mag sehr wohl sein, dass er angemessen ist.
Wie dem auch sei, mir sind Visionen ferner Orte und Ereignisse gegeben, und auch Stimmen anderer in weiter Ferne vermag ich zu hören. Als säße ein unsichtbarer Vogel dort drüben auf der Wand …« – Merlin deutete auf eine Stelle an der verputzten Wand, in der Nähe eines offen stehenden Fensters – »… oder auf einem Ast in einem Baum, und ich sähe durch dessen Augen, hörte mit dessen Ohren. Ich habe niemals die Zukunft gesehen, und ich vermag auch nicht die Ereignisse der Vergangenheit zurückzurufen. Ich sehe nur die Gegenwart, und kein Mensch kann jemals alles sehen, was sich überall auf der Welt zuträgt. Doch die Dinge, die ich gesehen habe, konzentrierten sich mehr und mehr auf Euch, auf Euer Haus, und auch auf Cayleb. Ich glaube nicht, dass dies rein zufällig geschieht.«
Haarahlds Blick schien Merlin fast zu durchbohren. Der König von Charis stand in dem Ruf, jedem Menschen die Wahrheit entlocken zu können, doch Merlin erwiderte seinen Blick schlicht. Schließlich war alles, was er bislang gesagt hatte, die reine Wahrheit gewesen. Wenn acht Standardjahre mit der gleichen Adresse nicht als ›viele Jahre‹ in den Bergen des Lichts zählten, dann wusste Merlin wirklich nicht, wie man es sonst hätte ausdrücken sollen. Und seine ›Visionen‹ hatten sich mehr und mehr auf Charis konzentriert, und das auch ganz gewiss nicht nur ›rein zufällig‹.
»Welche Art ›Visionen‹?«, fragte Haarahld nach langem Schweigen. »Wen habt Ihr gesehen?«
»Wie ich schon sagte, ich sehe und ich höre, als wäre ich selbst körperlich zugegen. Ich kann keine Seite eines Buches lesen, solange es nicht aufgeschlagen ist, ich kann keinen Gedanken hören, so er denn nicht ausgesprochen wird. Ich vermag nicht zu wissen, was in den tiefsten verborgenen Orten im Herzen eines Menschen vor sich geht, sondern nur, was sie sagen und tun.
Mich haben Visionen von Euch ereilt, Euer Majestät. Ich habe Euch in diesem Gemach gesehen, gemeinsam mit Eurem Kammerherrn Hahlmahn. Ich habe gesehen, wie Ihr mit Cayleb über die Erbfolge in Hanth gesprochen habt, und mit Graf Gray Harbor über Fragen der Politik. Ich habe gesehen und gehört, wie Ihr mit High Admiral Lock Island über die neuen Patrouillen vor dem Triton-Kap diskutiert habt, und wie Ihr ihn angewiesen habt, der Falke und der Krieger die Unterstützung der Rock Shoal Bay und ihres ganzen Geschwaders zukommen zu lassen.«
Die ganze Zeit über hatte Haarahld bedächtig genickt, doch als nun Lock Island erwähnt wurde, erstarrte er. Nicht überraschend, dachte Merlin, schließlich hatten der High Admiral und er bei dem
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