Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
Vom Netzwerk:
hielt sich nur fünfzehn Wochen. Einen Finanzminister, der die revolutionäre Theorie unterbreitete, die Regierung sollte doch Steuern erheben und ihre Bücher prüfen lassen, ließ man kurzerhand abblitzen. Der eigene Sohn des Präsidenten wurde als Minister für das Fernmeldewesen eingesetzt und begann Bestechungssummen zu fordern, die selbst für libanesische Verhältnisse horrend waren.
    Das Motto der Stunde im Libanon hieß, so schnell wie möglich reich zu werden. Die rasende Inflation verwandelte Bauern in Landspekulanten und schuf über Nacht eine neue Klasse von Millionären. Die Regierung wurde zu einem Selbstbedienungsladen. In diesem Klima der Ambitionen und der Raffsucht verloren die Libanesen den letzten Rest ihres Respekts vor den öffentlichen Einrichtungen. Die Öffentlichkeit glaubte nicht mehr daran, dass das, was vom Deuxième Bureau noch übrig war, die Ordnung aufrechterhalten oder dass die Armee die palästinensischen Kommandos in Schach halten könnte. Stattdessen wandten sich die Libanesen in zunehmendem Maße den privaten Milizen zu, die sich überall im Land formierten.

Kapitel 26 Beirut; April 1971
    Jane Rogers saß mit ihrer Tochter im Wartezimmer ihres Arztes, als sie ein ihr bekanntes Gesicht entdeckte. Die attraktive Libanesin in dem teuren Seidenkleid auf der Couch neben ihr hatte große Ähnlichkeit mit einer Frau, die sie vor vielen Monaten auf einer Party kennengelernt hatte.
    Jane wollte sich ihr schon fast vorstellen, besann sich dann aber eines Besseren. Die Frau trug eine dunkle Brille und las in einem Magazin; die französische Ausgabe von
Vogue
. Vielleicht wollte sie nicht gestört werden. Es ist besser, seine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken; vor allem in der Praxis eines Arztes.
    Jane widmete sich stattdessen ihrer Tochter Amy, die mit dem Krimskrams aus der Handtasche ihrer Mutter spielte. Das Kind hatte in den letzten Monaten eine geradezu dramatische Besserung durchgemacht. Die Würmer wären völlig verschwunden, versicherte ihnen der libanesische Kinderarzt. Das Gleiche galt für die Symptome der neurologischen Störungen. Amy war geheilt.
    Jane warf wieder einen Blick auf die Libanesin und bemerkte, dass sie keinen Ehering trug. Vielleicht war es gar nicht dieselbe Frau.
    «Madame Jezzine», rief die Sprechstundenhilfe. Die attraktive Libanesin schloss ihr Magazin und erhob sich.
    Ich hatte also doch recht, dachte Jane. Sie sah Madame Jezzine hinterher, als diese ins Sprechzimmer des Arztes ging. Fünf Minuten später kam die elegante Frau wieder heraus; sie faltete einen kleinen Zettel zusammen; das Rezept, das ihr der Arzt ausgestellt hatte. Sie steckte es in ihre Handtasche.
    «Mrs.Rogers», rief die Sprechstundenhilfe. Jane stand auf und ging mit ihrer Tochter an der Hand auf die Tür des Sprechzimmers zu. Sie war kaum einige Schritte gegangen, als die Libanesin sie ansprach.
    «Jane», sagte Solange Jezzine mit einem warmen Lächeln. «Es tut mir leid, Sie nicht früher erkannt zu haben. Wie hübsch Sie aussehen.»
    «Hallo, Solange», sagte Jane.
    Die Libanesin begrüßte Jane herzlich, indem sie sie auf beide Wangen küsste. Jane fühlte sich nicht ganz wohl ob dieser Wandlung von einer völlig Fremden zu einer Freundin im Zeitraum von nur wenigen Minuten. Sie erwiderte die Küsse der Libanesin freundschaftlich. Als ihre Wangen sich berührten, erhaschte Jane den Hauch eines teuren Parfums hinter ihren Ohren.
    «Und was für ein niedliches kleines Mädchen», sagte Solange und tätschelte Amy den Kopf.
    «Werden Sie lange brauchen?», fragte Solange und nickte in Richtung des Sprechzimmers.
    «Nur eine Minute», sagte Jane. «Ich lasse mir nur ein neues Rezept ausschreiben.»
    «Gut», sagte die Libanesin. «Dann warte ich. Wir werden zusammen lunchen, meine Liebe.»
    «Einverstanden», sagte Jane und versuchte freundlich zu klingen. Sie warf einen Blick auf ihre kleine Tochter und hoffte, dass Madame Jezzine kein allzu ausgefallenes Restaurant im Sinn hatte, wo man auf Kleinkinder nicht besonders versessen war.
    Jane war gerade so lange im Sprechzimmer des Arztes, wie er dazu brauchte, ihr ein neues Rezept für ihre Anti-Baby-Pillen auszustellen, die sie nahm, seit Amy krank geworden war. Sie hatte damals den Entschluss gefasst, keine Kinder mehr zu bekommen, solange sie im Nahen Osten lebten. Dem Arzt war es lieber, wenn seine Patientinnen persönlich vorbeikamen, um ihre Rezepte erneuern zu lassen, anstatt einfach in der Apotheke

Weitere Kostenlose Bücher