Operation Beirut
anzurufen. Vielleicht hielt er es für diskreter. Jane hielt es eher für das Gegenteil. Aber warum sich aufregen? Jane hatte ihr Rezept zusammengefaltet und in ihre Börse gesteckt, bevor sie ins Wartezimmer zurückkehrte.
Solange zwinkerte Jane verschwörerisch zu. Sie erhob sich von der Couch und empfing die Amerikanerin fast wie eine Mitverschwörerin; sie hakte ihren Arm unter Janes. Als sie die Praxis verließen, flüsterte sie ihr ins Ohr.
«Es befreit einen, finden Sie nicht auch?»
«Was meinen Sie?», fragte Jane.
«Die Pille, meine Liebe», sagte Solange. «Deswegen sind Sie doch hier, oder?»
Jane nickte verlegen. Sie fragte sich, ob sie erklären sollte, dass sie die Pille nicht deshalb nahm, um problemlos Affären zu haben, sondern aus einem ganz anderen Grund. Sie beschloss jedoch, nichts zu sagen. Irgendwie war es auch angenehm, von einer anderen Frau als heimliche Mitverschwörerin angesehen zu werden. Außerdem musste sie feststellen, dass ihr Madame Jezzines Offenheit durchaus nicht unangenehm war. Sie erschien ihr sehr libanesisch.
«Sie wird die Welt verändern», flüsterte Madame Jezzine. «Vor allem die arabische Welt.»
Am Randstein vor der Praxis des Arztes stand ein glänzender roter Mercedes Benz mit weißen Ledersitzen. Ein stämmiger Mann mit dem diskreten Gebaren eines Chauffeurs saß auf dem Fahrersitz. Neben ihm saß eine Asiatin in einem schwarzen Rock und einer weißen Schürze; sie schien das Hausmädchen zu sein.
«Das ist mein Wagen», sagte Madame Jezzine. «Kommen Sie, steigen Sie ein.»
Jane stieg in den Wagen, in dem es nach Leder, Parfum und dem Rauch der Zigaretten des Fahrers roch. Sie nahm ihre Kleine auf den Schoß, wobei sie mit einem automatischen Griff die Windel auf Feuchtigkeit abtastete.
«Chez les Anges»,
sagte Madame Jezzine dem Chauffeur.
Jane erkannte den Namen des Restaurants. Es war ein schickes französisches Bistro in West-Beirut, nicht weit von der Botschaft und direkt am Meer. Es hatte den Ruf, das teuerste Lokal der Stadt zu sein.
«Ich weiß nicht, ob das der richtige Platz für ein Baby ist», meinte Jane.
«Ist es auch nicht», sagte die Libanesin. «Wir lassen die Kleine bei Sophie.» Sie deutete auf das Hausmädchen.
Jane war drauf und dran, ihr zu sagen, es sei schon in Ordnung und sie könnten ja ein andermal essen gehen. Das wäre schließlich der Situation angemessen gewesen. Man konnte seine dreijährige Tochter schließlich nicht gut in der Obhut eines fremden Hausmädchens lassen. Aber sie zögerte, und der Grund dafür war, dass sie den Gedanken, mit einer reichen Libanesin im edelsten Restaurant der Stadt zu essen, äußerst reizvoll fand. «Es wird ihr nichts fehlen, nicht wahr, Sophie?», fragte Madame Jezzine.
«Ja, Madame», sagte die Frau. Sie schien aus Indien zu sein, oder vielleicht aus Sri Lanka. Sie sah durchaus vertrauenerweckend aus.
«Vielleicht könnten wir sie bei uns zu Hause absetzen», schlug Jane vor. «Würde Sie das stören, Sophie? Meine Reinemachefrau ist da, und sie kann Ihnen helfen, auf das Baby aufzupassen.» Sophie nickte fügsam.
«Perfekt!», sagte Madame Jezzine. «Sagen Sie dem Fahrer Ihre Adresse.»
Jane dirigierte den Mercedes zu ihrem Apartmentgebäude in Minara. Sie brachte Amy und Sophie nach oben und erklärte Sophie die Utensilien aus der Tasche mit den Babysachen. Frische Windeln, ihr Lieblingsspielzeug, die Bücher, das Fläschchen mit Apfelsaft.
«Wenn sie weint, rufen Sie bitte unbedingt im Restaurant an», sagte Jane.
«Ja, Madame», sagte Sophie und neigte den Kopf in der unterwürfigen Geste, die für den indischen Subkontinent so charakteristisch ist.
Jane ließ das Kind zufrieden spielend im Kinderzimmer zurück und kehrte zu Madame Jezzine zurück. Als sie die Stufen der Treppe hinuntersprang, verspürte sie ein schwindelerregendes Gefühl von Abenteuer und einer vorübergehenden Befreiung von ihrer Routine als hingebungsvolle Frau und Mutter.
Einige Minuten später fuhren sie vor dem kleinen Gebäude in der Nähe des Hotel St. Georges vor. Der Chauffeur parkte den Wagen und beeilte sich, Madame die Tür zu öffnen.
«Sie können jetzt auch essen gehen, Antun», sagte sie ihm. «Wir werden einige Stunden beschäftigt sein.»
Die schlichte weiße Fassade des Restaurants versteckte ein exotisches Interieur. Die rückwärtige Wand bestand aus einem riesigen Fenster, das einen atemberaubenden Blick auf das Mittelmeer bot. An den Tischen im großen Speisesaal saßen lauter
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