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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Damaskus besagte, dass die Führung der Volksfront zur Befreiung Palästinas zu dem Schluss gekommen war, dass es innerhalb der Fatah einen amerikanischen Agenten gab. Der Grund, warum sie sich so sicher waren, berichtete der Agent, war, dass der Alte Mann vor wenigen Monaten gegenüber den Volksfrontführern geprahlt hatte, er habe einen geheimen Kanal ins Weiße Haus. Als die Radikalen ihn einen Lügner hießen, sagte der Alte Mann, dass er vor über einem Jahr den geheimen Text eines amerikanischen Friedensplans erhalten hätte.
    Der Agent in Damaskus hatte keine Ahnung, was die Identität des amerikanischen Kontaktmannes in der Fatah anbelangte, aber er berichtete über die Vermutungen der Volksfrontführer. Der amerikanische Agent musste jemand sein, der im Nachrichtendienst der Fatah ganz oben stand. Nur einem Nachrichtendienstler würde man die Aufgabe eines Mittelsmannes anvertrauen, sagten sich die Radikalen. Der wahrscheinlichste Kandidat, so schloss der Bericht des Agenten, war ein junger Mann, der in dem Rasd besonders schnell nach oben gekommen war – der Liebling des Alten Mannes: Jamal Ramlawi.

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Teil  VII
    1971–Mai 1972

Kapitel 31 Beirut; Frühjahr 1971
    Mohammed Nasir Makawi, bekannt unter dem Namen Abu Nasir, war ein konzentriert wirkender, dunkelhäutiger Mann mit schmalem Gesicht und buschigem Schnurrbart. Er war der Chef des Nachrichtendienstes der Fatah und sah auch ganz danach aus. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen und waren von so vielen Ringen umgeben, dass sie ihr Dasein in ewigem Schatten zu fristen schienen. Wie viele der besten arabischen Nachrichtenoffiziere hatte auch er ein ausdrucksloses Pokergesicht, das nicht das Geringste verriet. Abu Nasir wohnte in Beirut, im sechsten Stock eines Hauses in der Rue Verdun, einer belebten Straße, die leicht abschüssig vom Zentrum West-Beiruts aus in Richtung Corniche Mazraa und Meer führte. Er sorgte sich um seine Sicherheit und hatte die Absicht, am Eingang zu seiner Wohnung eine bombensichere Metalltür installieren zu lassen. Er war sich allerdings nicht darüber im Klaren, was er gegen elektronische Überwachungsmaßnahmen unternehmen sollte. Einer seiner russischen Freunde hatte ihm mitgeteilt, die einzige Möglichkeit, vor Wanzen wirklich sicher zu sein, bestehe darin, neue Wände, Decken und Fußböden über die alten einzuziehen; das würde eventuell versteckte Mikrophone unschädlich machen. Das schien ihm jedoch zu viel Arbeit. Also ließ Abu Nasir das Radio laufen.
    Die Wohnung war nur spärlich möbliert. Ein allzu prall gepolstertes braunes Sofa, ein im gleichen Bezug gehaltener Lehnstuhl, ein großer Fernsehapparat, der das Wohnzimmer dominierte, ein kleiner Holztisch und ein billiger, maschinell gefertigter Wandteppich, auf dem in kunstvoller arabischer Schrift der Name Allahs zu lesen war. Das einzige wirkliche Schmuckstück war eine große Nargileh, eine Wasserpfeife, die neben dem Lehnstuhl stand. Die Jalousien waren dicht geschlossen, was die Düsterkeit und die Trostlosigkeit des Zimmers noch verstärkte. Abu Nasir saß auf seinem braunen Diwan und sah sich im libanesischen Fernsehen eine banale ägyptische Seifenoper an. Er wartete auf seinen jungen Stellvertreter, Jamal Ramlawi.
    Jamal war spät dran. Er ist wieder hinter irgendeiner jungen Frau her, dachte sich Abu Nasir. Das ist seine schwache Stelle. Er hatte Jamal am Morgen in der Wohnung in Fakhani angerufen, in der Jamal für den Augenblick abgestiegen war. Komm heute Abend vorbei, hatte Abu Nasir ihm gesagt, ich will mich mit dir unterhalten. Nur wir beide. Ich werde dir erklären, was wir vorhaben. Während er die Einladung aussprach, hörte er im Hintergrund eine Frauenstimme ein italienisches Lied singen.
    Es klingelte. Einmal lang, zweimal kurz. Abu Nasir öffnete die Tür und umarmte Jamal. Der junge Mann war ordentlicher angezogen als gewöhnlich; er trug graue Hosen und ein blaues Hemd anstatt der sonst üblichen Jeans und der Lederjacke. Sein Haar war glatt nach hinten gekämmt. Der jüngere Mann küsste seinen Gastgeber zweimal und dann ein drittes Mal. Abu Nasir wirkte fast zerbrechlich in den Armen seines jungen Schützlings. Abu Nasir entschuldigte sich und ging Kaffee machen. So etwas gehörte zu einem Schattendasein wie dem seinen: Man lernte seine Hosen zu flicken, seine Knöpfe anzunähen, sich seinen Kaffee selbst zu machen. Er füllte den Topf zur Hälfte mit zu feinem Pulver gemahlenem Kaffee, gab vier Esslöffel

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