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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Zucker dazu, goss etwas Wasser darauf und ließ die dickflüssige Mischung dreimal aufkochen. Das Ergebnis war ein dicker schwarzer Schlamm, der einem wie süßer Sirup auf der Zunge zerging.
    Als der Kaffee fertig war, trug Abu Nasir den Topf und zwei kleine Tassen ins Wohnzimmer und goss Jamal eine Tasse davon ein. Eine weitere füllte er für sich selbst; dann setzte er sich in seinen Lehnstuhl und steckte die Wasserpfeife an. Er saugte an dem hölzernen Mundstück, bis sich der Raum mit dickem Rauch gefüllt hatte. Außer seinen eigenen Sorgen schien der hagere alte Mann alles um sich herum vergessen zu haben. Er sog an seiner Pfeife und blies den Rauch in den Raum. Gleichmäßig, geradezu berechnend.
    «Habe ich dir jemals von meinem Heimatdorf in Palästina erzählt?», fragte Abu Nasir schließlich und legte das Mundstück der Pfeife zur Seite, um sich eine Zigarette anzuzünden.
    «Nein, Onkel», sagte Jamal.
    «Vielleicht sollte ich dir die Geschichte erzählen», sagte Abu Nasir, als hätte er sich noch nicht ganz dazu durchgerungen.
    «Es wäre eine große Ehre für mich.»
    «Es ist eine ziemlich lange Geschichte, fürchte ich.»
    «Ich würde sie gerne hören, Onkel.»
    Der ältere Mann nickte.
    Abu Nasir erzählte gerne Geschichten, lange, gewundene Erzählungen, deren Bedeutung oder Wichtigkeit oft erst im letzten Kapitel zutage trat. Aber in jeder dieser Geschichten steckte eine Lehre – eine präzise, perfekt gestaltete Aussage –, die nach und nach sichtbar wurde, so wie bei dichtem Nebel die Umrisse einer Burg vor einem auftauchen. Kein Mensch hätte sich je erlaubt, Abu Nasir zu unterbrechen. Während er sprach, heftete er seinen Blick auf das Gesicht des anderen. Wolken von Zigarettenrauch schwebten um seinen Kopf und gerieten im Rhythmus seiner Stimme in Bewegung.
    «Erinnerst du dich an die alte Jaffastraße in Palästina, die von Jerusalem aus ans Meer führte?», begann Abu Nasir.
    «Nein, Onkel, bestimmt nicht.»
    «Natürlich; kannst du ja auch nicht. Du warst noch zu jung. Also will ich sie dir beschreiben. Die Straße kletterte von der Küste aus in die Hügel hinauf, die Jerusalem umgeben. Kurz bevor sie die Stadt erreichte, auf dem letzten der steilen Hügel, konnte man, wenn man nach links schaute, ein schönes arabisches Dorf sehen, dessen Steinhäuser sich in einem Halbmond an den Hügel lehnten. Das war Lifta, und dieses Dorf war seit vielen Generationen die Heimat meiner Familie gewesen.»
    «Lifta», sagte Abu Nasir noch einmal; er sprach das Wort so ruhig vor sich hin, als wäre allein sein Klang schon ein Überbleibsel seines verlorenen Dorfes. «Es kommt mir so vor, als könnte ich mich an jede Einzelheit erinnern, obwohl ich vor über zwanzig Jahren von dort weggegangen bin. Die Kühle eines Steinhauses im Sommer; der Duft des Brotes, das im Hof auf heißen Steinen gebacken wurde; im Sommer mit meinem Vater auf dem Dach zu schlafen; der Geschmack des Wassers aus dem Brunnen, den ich damals für bodenlos hielt.
    Ich sah, wie Lifta sich veränderte. Jerusalem breitete sich in den dreißiger Jahren immer weiter nach Westen aus und schob sich unaufhörlich näher. Juden, die aus Europa gekommen waren, siedelten sich entlang der Jaffastraße in einer Vorstadt namens Romema an. Wir machten uns damals keine großen Gedanken darüber. Seit Menschengedenken hatten in dieser Gegend Juden gewohnt. Und abgesehen davon kamen einige Leute aus unserem Dorf zu viel Geld, indem sie den Juden Land verkauften.»
    «Ihr habt den Juden Land verkauft?», fragte Jamal.
    «Wir waren naiv. Und wir waren gierig. Die Liftawis besaßen so viel Land – fast bis an die Mauern der Alten Stadt –, dass es uns nicht viel ausmachte, ein klein wenig davon zu verlieren. Und noch ein klein wenig mehr. Was kümmerte es uns? Wir wurden reich. Man sagte damals, dass Lifta dabei war, das reichste Dorf in ganz Palästina zu werden, was uns alle sehr glücklich und stolz machte.
    Mein Vater war einer der Reichsten. Er kam zu Geld und baute sich ein prächtiges Haus auf einem der Hügel, nicht mehr im alten Lifta, sondern mehr in der Nähe der Juden. Das war ein Zeichen dafür, wie erfolgreich er war. Es war das größte Haus in der ganzen Gegend, und oft kamen Leute aus Romema herüber, um es anzustarren. Mein Vater war ein sehr moderner Mann. Er glaubte an den Fortschritt und schickte mich auf eine höhere Schule. Ich ging immer auf der Jaffastraße zur Schule, vorbei an den Geschäften, den Märkten und

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