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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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unsere
Geschichte ist! Zweifelst du an meinen Worten? Glaubst du, wir haben unsere Lektion gelernt und dass so etwas nicht noch einmal passieren kann? Dann hör mir noch einen Augenblick zu.
    Nach der Katastrophe von 1947 gingen viele der Menschen aus Lifta nach Amman. Sie hatten ihr Dorf und ihr Land verloren. Aber in Jordanien befanden sie sich immerhin unter arabischen Brüdern, mit Pässen und staatsbürgerlichen Rechten. Die Liftawis bauten sich Häuser und Geschäfte auf. Sie kamen zu etwas Geld, und der ein oder andere kaufte sich ein Auto oder ein größeres Haus, oder er schickte seine Kinder auf eine Universität. Oder vielleicht gingen sie auch nach Kuwait oder Saudi-Arabien und verdienten womöglich noch mehr Geld.»
    «Ich kenne solche Leute», sagte Jamal.
    «Natürlich kennst du welche», antwortete Abu Nasir. «Sie sind überall um dich herum. Sie sind das Gesicht unseres Volkes; sie mühen sich ab, sie hoffen, sie versuchen zu überleben. Die Liftawis waren nicht schlechter und nicht besser als die Leute aus irgendeinem anderen Dorf. Sie freundeten sich mit den Jordaniern an. Sie wurden bequem. Sie glaubten an die Befreiung Palästinas, vielleicht sogar an den Traum, eines Tages wieder nach Lifta zurückzukehren. Sie unterstützten die Fedajin und gaben uns von ihrem Geld und ihrer Zeit. Sie glaubten, sie hätten die Lektion, dass man, um in einer Welt wie dieser zu überleben, stark sein muss, gelernt.
    Jetzt werde ich dir den traurigsten Teil meiner Geschichte erzählen. Während der Kämpfe in Amman letzten September besuchte ich eine Familie aus meinem Dorf. Aus Lifta. Sie lebte in Jebel Hussein, in der Nähe der Stützpunkte der libanesischen Armee. Weißt du, wo das ist?»
    «Natürlich», sagte Jamal.
    «Ich bat sie um Hilfe. Ich sagte ihnen, dass unsere Kämpfer ihr Haus bräuchten, um den Vormarsch der königlichen Armee aufzuhalten. Ich flehte sie an, aber sie weigerten sich. Sie sagten mir, die Kämpfe würden bald wieder vorbei sein, und dann wären sie sicher. Sie wollten die Fedajin nicht so nahe bei sich haben. Was sollten die Jordanier ihnen schon antun? Sie hatten doch schließlich nichts getan.»
    «Was geschah mit ihnen?», fragte Jamal.
    «Sie sind allesamt tot. Die ganze Familie wurde getötet, als eine Artilleriegranate in ihr Haus schlug. Ich weinte, als ich das erfuhr, selbst nach dem, was vorgefallen war. Diese Leute waren wie Hunde aus ihrer Heimat in Lifta vertrieben worden, nur um wie Hunde in Amman zu sterben!»
    Jamal schüttelte den Kopf in einer Mischung aus Traurigkeit und Verachtung.
    «Mit dem, was ich dir jetzt sage, werde ich dich wohl schockieren», fuhr Abu Nasir fort. «Unsere Leute hassen Menachem Begin, das ist doch so, oder? Das gehört zu unserem Glaubensbekenntnis, nicht wahr?»
    «Natürlich!», antwortete Jamal.
    «Aber ich hasse Begin nicht. Ich bewundere ihn! Sein Volk war gebrochen und demoralisiert. Man hatte sie kreuz und quer durch ganz Europa geschleift und dann stillschweigend in den Tod geführt. Sie hatten den Deutschen vertraut – und auf Vernunft und Fortschritt und Anpassung; und das so sehr, dass sie nicht verstanden, was da passierte. Sie starben zitternd, mit geschlossenen Augen, und belogen sich bis zum bitteren Ende selbst. Aber nicht so Begin. Hast du je sein Buch gelesen?»
    «Nein», sagte Jamal voller Verachtung.
    «Du solltest es lesen. In diesem Buch brachte Begin das Problem des Überlebens auf einen einfachen Punkt. Er sagte: ‹Ich kämpfe, deshalb bin ich.› Und damit hatte er recht. Die Juden würden nur überleben, wenn sie bereit waren, ihre Feinde zu töten. Begin vertraute lieber auf die jüdischen Gewehre als auf den guten Willen anderer.»
    Jamal nickte. Er begann die Burg aus dem Nebel auftauchen zu sehen.
    «Begin verstand auch noch etwas anderes», fuhr Abu Nasir fort. «Er verstand, dass Terrorismus die Waffe der Schwachen ist. Dass der Terrorismus den Schwachen Macht gibt, indem er ihren Feinden das Fürchten beibringt. Er hatte verstanden, dass man mit der Möglichkeit, Angst zu schaffen, auch Macht hatte.
    Ich will dir etwas über den Terrorismus sagen, das aus meinem Herzen kommt, Jamal. Weißt du, was ich fühle, wenn ich in den Zeitungen über palästinensische ‹Terroristen› lese, die Flugzeuge entführt und Zivilisten getötet haben? Oder wenn ich lese, dass die Palästinenser grausam und skrupellos und unmenschlich sind? Mit dem Verstand reagiere ich kritisch, natürlich, denn die offizielle

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