Operation Beirut
Szene. Jeder kannte ihn. Er galt als reicher Libanese mit linken Ansichten, als Freund der Revolution.
Jamal wartete bereits auf ihn; in der einen Hand hielt er eine Zigarette, die Finger der anderen trommelten auf die Tischplatte. Mit den dunklen Ringen unter den Augen sah er müde und überarbeitet aus. Der junge Palästinenser schalt Fuad, weil er einige Minuten zu spät dran war. Immer wieder sah er auf seine Armbanduhr.
«Du führst dich schon mehr wie ein Amerikaner auf als die Amerikaner selbst», sagte Fuad scherzend, nachdem sie sich einige Minuten über dies und jenes unterhalten hatten.
«Und was ist daran falsch?», antwortete ihm Jamal. «Wir könnten von den Amerikanern einiges lernen.»
«Tatsächlich?», fragte Fuad, nicht in der Lage, sein Erstaunen zu verbergen.
«Wir brauchen Hilfe! Manchmal, wenn ich mir meine arabischen Brüder so ansehe, dann denke ich mir, wir sollten unsere Revolution bei den Amerikanern in Kommission geben. Oder bei den Deutschen. Oder gar bei den Schweizern!»
Fuad lachte. Aber er fragte sich: Was erzählt er mir da? Warum ist er so wütend?
«Weißt du, wie das Motto aller Araber lauten sollte?», fragte Jamal.
«Wie?»
«‹Fut aleina bukra›», zitierte Jamal. Komm morgen wieder vorbei! Es war einer der Lieblingsausdrücke der Ägypter, die nichts lieber taten, als Zeit zu vertrödeln; ein arabisches Gegenstück zum spanischen
mañana
.
«Womit bist du denn in letzter Zeit so beschäftigt?», fragte Fuad.
«Verwaltungsarbeit.»
«Was heißt das?»
«Papierkram», antwortete Jamal müde. «Der Alte Mann hat mich gebeten, ihm bei den Finanzen zu helfen. Der Märtyrer-Fonds. Investitionen. Das Geld von den Saudis und Kuwaitis.»
«Viel Geld?», wollte Fuad wissen.
«Millionen», antwortete der Palästinenser. «Zig Millionen. Die Revolution ist reich. Aber die Arbeit ist nicht besonders interessant. Immer nur Banknoten, Einzahlungsquittungen und Papierkram. Das Ganze langweilt mich.»
«Die Bürokratie ist der Fluch der Araber», bemerkte Fuad.
«Da liegst du falsch, mein Freund», gab ihm Jamal zur Antwort. «Der Fluch der Araber sind die Araber.»
Fuad sah ihn neugierig an.
«Du hast vorhin gesagt, dass du Hilfe brauchst. Meinst du das im Ernst?»
«Kommt darauf an, von wem.»
«Von meinen Freunden.»
Jamal lachte. Dachte er an Marsh und den Ausdruck auf dessen Gesicht, als ihm ein Aktenkoffer voller 100-Dollar-Noten vor die Füße flog? Der Palästinenser senkte die Stimme und sagte zu Fuad: «Ich möchte deine amerikanischen Freunde nie wiedersehen. Und ich warne dich: Wenn sie es auf mich abgesehen haben, dann werde ich sie töten.»
Fuad nickte. Er wechselte das Thema. Was hielt Jamal vom neuen libanesischen Kabinett? Es war ein Witz, ein Skandal. Keiner, der nicht zum Verkauf stand. Die Fatah hatte womöglich mehr Libanesen auf ihrer Lohnliste als das Innenministerium. Und die sunnitischen Politiker in West-Beirut taten nicht einmal mehr so, als seien sie unabhängig; sie machten einfach, was die Fatah ihnen auftrug. Dem Libanon würde es bessergehen, wenn er vollständig von den Palästinensern regiert würde! Die beiden brachten einen freundschaftlichen Toast auf die Revolution aus. Einige Minuten später brach Jamal das Treffen ab. Er habe Kopfschmerzen, sagte er. Sie würden sich in einigen Monaten wieder treffen.
Fuad sah Jamal aus dem Café gehen – zu einer der anonymen Wohnungen in Fakhani, in denen er abstieg, wenn er in Beirut war. Es war sinnlos, ihm folgen zu wollen. Ja, schlimmer noch als sinnlos: Es würde einem Selbstmord gleichkommen.
Am nächsten Tag ließ Fuad Rogers eine Nachricht zukommen. Er hinterließ sie in einem Briefkasten im Souk von Tawile.
Fuads Botschaft war kurz, wenn auch nicht sehr schlüssig: Unser alter Freund führt etwas im Schilde. Er erzählt leicht zu durchschauende Lügen über seine Aktivitäten, was natürlich zu erwarten ist. Das eigentlich Seltsame an ihm ist sein Aussehen. Er ist müde und nervös. Seine Augen verraten, dass er sich verändert hat. Er ist zornig. Er spricht davon, Amerikaner zu töten, aber das glaube ich nicht. Passen Sie auf ihn auf, wenn Sie können, denn ich glaube, dass er in den Untergrund geht.
Aber man hatte niemanden, der die Überwachung hätte übernehmen können. Die Beiruter Station hatte zwei diplomatische Tarnpositionen verloren und zehn Prozent ihres Budgets. Man hatte den Nahen Osten wieder auf das Abstellgleis gestellt. Der Krieg in Indochina verschlang einen
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