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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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oder Tariq bin Jedid. Die Namen wurden ihm zu neuen Hautschichten, zu Masken über anderen Masken.
    Jamals Aufgabe bestand darin, ein Rätsel zu lösen. Abu Nasir hatte ihm aufgetragen, ein solides Gerüst zu errichten, das unsichtbar wäre, die Infrastruktur für eine Organisation aufzubauen, die es gar nicht geben sollte, Operationen zu planen, die planlos erscheinen sollten – Operationen, die eben von jenen Leuten, die sie befohlen hatten, glaubwürdig verleugnet werden konnten. Es war nach Abu Nasirs Ansicht von entscheidender Bedeutung, dass der Schwarze September keine Adresse haben und keine Spuren hinterlassen sollte. In der Folge eines jeden Bombenanschlags oder Attentats sollte es nichts als die Dunkelheit der Anonymität und des puren Schreckens geben. Anonymität bedeutete Strohmänner. Schichten von Leuten, die bewusst oder unbewusst zwischen dem Befehl und der Tat standen. Das bedeutete, dass in allen wichtigen Städten Europas tote Briefkästen einzurichten waren, die eine diskrete Kommunikation ermöglichten. Ein Postfach in Paris. Eine Briefkastenfirma in Zürich. Eine Reihe von Apartments in London. Es bedeutete, dass man mit einigen in der Sowjetunion ausgebildeten arabischen Nachrichtenoffizieren zusammenarbeiten musste, denen man vertrauen konnte, um mit Hilfe von Botschaftscodes und der Diplomatenpost ein Kommunikationsnetz aufzubauen.
    Ein solches Netz zu organisieren bedeutete für Jamal, die noch immer schwache Infrastruktur, an der er seit vielen Monaten gearbeitet hatte, zu erweitern. Es bedeutete, unter den Tausenden von palästinensischen Studenten in Europa Schläfer anzuwerben. Bei diesen Rekruten handelte es sich fast durchweg um junge Leute, die voller Hass auf die Israelis und voll von dem falschen Mut der Jugend waren. Jamals «Talentsucher» wählten die Aussichtsreichsten unter ihnen aus. Ein Anwerber traf sich mit ihnen, vereidigte sie zur Geheimhaltung, bot ihnen ein kleines Gehalt und sagte ihnen, dass die Revolution sie als Gegenleistung eines Tages um einen Gefallen bitten würde. Dann unterzog Jamal die Novizen einer Prüfung. Er schickte ihnen einen Mann, der versuchte, ihnen durch Tricks und Überredungskünste genau das aus der Nase zu ziehen, worüber sie mit dem Anwerber gesprochen hatten. Jene, die ihr Geheimnis ausplauderten oder auch nur darauf hinwiesen, wurden auf der Stelle von der Liste gestrichen. Die, die nichts sagten, blieben dabei. Es gab nur sehr wenige, die diese Prüfung bestanden, und selbst diese wenigen erwiesen sich oft als geradezu grauenvoll indiskret.
    Jamal setzte alles daran, aus dieser unzuverlässigen Bande von Rekruten eine kompetente Nachrichtenorganisation zu formen. Es war ein qualvoller Prozess, der ihn gelegentlich schier zum Verzweifeln brachte. So vereinbarte er zum Beispiel ein geheimes Treffen in einer europäischen Hauptstadt, nur um seinen Agenten sagen zu hören: «Insha’Allah!» – So Gott es will. Da wiederholte er immer wieder, dass Sicherheit die wichtigste Voraussetzung war, nur um einen seiner Leute in einem überfüllten Café vor seinen arabischen Freunden prahlen zu hören, dass er «geheime Arbeiten» für die Revolution erledigte, über die er natürlich nicht sprechen könne. Er befahl einem seiner Agenten, ihm eine detaillierte Skizze, etwa einer israelischen Ölanlage in Rotterdam, zu beschaffen, nur um dann eine schlampige Bleistiftzeichnung zu erhalten, die genauso gut ein Lageplan der ägyptischen Pyramiden hätte sein können!
    Jamal wurde die Araber mehr und mehr leid, mit ihrer Faulheit, ihrem Mangel an Disziplin, ihrer Ungenauigkeit, ihrer Anfälligkeit für Bestechungen und Selbstbetrug. Aber sie waren nun mal sein Rohmaterial, und er war entschlossen, daraus eine funktionierende Organisation zu formen. Also hämmerte er und schob und drängte. Wenn die Juden aus den Trümmern von 1945 einen so mächtigen Staat wie Israel hatten schaffen können, sagte er sich immer wieder, dann sollte es doch nicht unmöglich sein, einige Dutzend Araber zu einem einigermaßen effizienten Untergrundnetz zu formen.
    Seine Unterführer rekrutierte Jamal aus den Kreisen der palästinensischen Intellektuellen in Europa. In Paris entschied er sich für einen Geschichtsprofessor mit Neigung zur Glatze. In London für einen prominenten Geschäftsmann. In Madrid für einen renommierten Professor der Physik. In Rom war es ein langhaariger Musiker. Wie Jamal waren sie alle in gewisser Weise Aristokraten, die ihr Elitestatus

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