Operation Beirut
gleichzeitig mit Stolz und mit Scham erfüllte.
Lange vor Jamal hatte Lenin bereits erkannt, dass solche Leute ideale Rekruten für eine geheime Organisation abgaben. Sie denken in abstrakten Begriffen und verwandeln alles alltägliche Material der Politik – das Land, die staatliche Souveränität, die Ausübung der Macht – in idealisierte Bilder. Es dauert nicht lange, und diese Bilder werden so rein und edel, so mit Romantik getränkt, dass der Tod gewöhnlicher Sterblicher nicht länger von Bedeutung zu sein scheint, wenn er nur der geheiligten Sache dient. Palästinensische Intellektuelle gaben perfekte Rekruten ab: Sie hungerten nach Geheimnissen, waren von den edelsten Idealen motiviert und zu den extremsten Gewalttaten fähig.
In konspirativen Wohnungen in ganz Europa begann Jamal seine Operationsakten anzulegen. Die Tagesordnung einer Konferenz der arabischen Liga, die für November in Kairo geplant war; den Grundriss einer deutschen Fabrik, die Elektromotoren für die israelische Rüstungsindustrie baute; Fotos der jordanischen Botschaften in Paris und Bern; eine Karte über die Route, auf der der jordanische Botschafter in London jeden Tag zur Arbeit fuhr; Flugpläne und Fahrpläne der Bahn für ein Dutzend Städte im Nahen Osten und Europa; stapelweise falsche Pässe und haufenweise Geld, dessen Herkunft nicht zurückzuverfolgen war.
In den Augen der Weltöffentlichkeit war die Fatah nach dem Debakel in Jordanien in Unordnung geraten und befand sich in einer Periode orientierungslosen Dahintreibens. Die Führungsspitze der Fatah gab einander widersprechende Erklärungen ab: Riefen sie heute nach dem Sturz des Königs, drängten sie morgen schon wieder auf Versöhnung. Jede Seite war auf der Suche nach Sündenböcken; die Syrer gaben dem Alten Mann die Schuld, und der Alte Mann seinerseits schob diese auf eine große Verschwörung, in welche die Jordanier angeblich ebenso verwickelt waren wie die Amerikaner und die Israelis. Anstatt seine eigenen Fehler in Jordanien einer rigorosen Kritik zu unterziehen, verkündete der Alte Mann, dass «Einigkeit» die Probleme der PLO lösen würde.
Es herrschte Sauregurkenzeit. Ägyptens neuer Präsident verkündete, dass 1971 das «Jahr der Entscheidung» über Krieg oder Frieden werden würde; solch markigen Worten folgten jedoch keine Taten. Unter ähnlichen Vorzeichen der Verwirrung debattierte die PLO untereinander darüber, ob man sich der Realität stellen und die Existenz Israels anerkennen sollte; und dann stimmte man im Februar 1971 auf dem PLO -Kongress in Kairo dafür, jegliche Lösungen außer der Zerstörung «des zionistischen Gebildes» zu verwerfen.
Die nach außen hin sichtbaren Handlungen des Alten Mannes waren so absurd und der Sache so abträglich, dass ein sensibler Analytiker misstrauisch hätte werden müssen. Bestand nicht die Möglichkeit, dass diese öffentlichen Possen in Wirklichkeit nur Ablenkungsmanöver waren? Passierte da nicht vielleicht etwas im Dunkeln? Es gab winzige Fragmente von Beweismaterial. Im Mai 1971 kam ein Hinweis auf einen neuen Fatah-Untergrund zutage, als die jordanische Regierung etwas enthüllte, was sie einen geheimen Plan der PLO zur Ermordung jordanischer Funktionäre nannte. Aber niemand achtete groß darauf. Es war viel einfacher, zu glauben, der Alte Mann sei so inkompetent, wie er aussah. Der Erste auf der Gehaltsliste der CIA , dem da etwas merkwürdig vorkam, war Fuad. Er hatte nach dem katastrophalen Treff mit Marsh im vorigen Sommer in Rom mit Jamal einen sporadischen Kontakt aufrechterhalten. Bei einem dieser unregelmäßig stattfindenden Treffen Mitte 1971, das lediglich deshalb arrangiert worden war, um klarzustellen, dass die Amerikaner immer noch interessiert waren, spürte Fuad, dass Jamal sich irgendwie verändert hatte. Der unkonventionelle Playboy war ernst geworden. Die Frage war nur, warum.
Der Treff fand in einem Kaffeehaus in Fakhani statt, und zwar am späten Nachmittag eines Donnerstags, der in der moslemisch-arabischen Welt sowohl Beginn des Wochenendes als auch traditioneller Männerabend ist. In den alten Tagen hatten sich Jamal und Fuad oft am Donnerstagabend zum Kaffee getroffen, auf den dann Whisky folgte, dann das Abendessen, dann Frauen.
Fuad kam zu spät. Mit seiner Wickelsonnenbrille sah er aalglatt aus. Er grüßte einige der Leute im Kaffeehaus. Sie lächelten ihm zu und riefen seinen Namen. Im von der Fatah kontrollierten Fakhani gehörte Fuad mittlerweile zur
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