Operation Beirut
dunkelhaarige europäische Frau in der Nähe von Jamals Büro in Fakhani gesehen. Es musste Ramlawi sein. Er war in Beirut als Schürzenjäger berüchtigt. Kein Nachtclub, kein Bistro in der Stadt, in dem man ihn nicht kannte. Sein Verhalten war geradezu verwegen. Derart verwegen, dass Levi sich fragte, als er sich das Problem durch den Kopf gehen ließ, ob die Missachtung, die der junge Palästinenser für alles an den Tag legte, was andere Menschen lieber als Geheimnis behandelten, nicht ein viel größeres Geheimnis verbergen könnte. Das wäre eine Möglichkeit. Levi merkte sich vor, eine neue Karteikarte in der Palästinenserkartei anzulegen. Und damit zu beginnen, ein wachsameres Auge auf Ramlawis Reisen zu haben.
Levi erinnerte sich noch vage an die Zeit, in der er keine Angst gehabt hatte. Das war noch, bevor er in den Mossad eingetreten war, als er nichts weiter als ein einfacher Soldat gewesen war. Als alles, was man ihm zum Wohle des Staates Israel abverlangte, darin bestand, das Risiko auf sich zu nehmen, im Krieg ein einziges Mal zu sterben. Als Nachrichtenoffizier war er bereits viele tausend Male gestorben.
Levi erinnerte sich gerne daran, wie er in den israelischen Nachrichtendienst eingetreten war. Diese Erinnerung war eine Art, sich selbst zu kneifen, immer wieder einmal daran zu denken, dass er einmal ein anderes Leben geführt hatte.
Er hatte in der Armee gedient. Das war nichts Ungewöhnliches. Jeder Israeli geht zum Militär. Aber er war besonders tüchtig und besonders gescheit, und so hatte man ihm gestattet, zu den Fallschirmjägern zu gehen, was seine Eltern mit Stolz erfüllt hatte. Und bei den Fallschirmjägern war er so gut, dass man ihm nahelegte, der Spezialtruppe beizutreten, wo er Truppführer wurde.
Vielleicht hatte er damals zum ersten Mal Angst gehabt. Levi war mit einem Team von Israelis über dem südlichen Sudan abgesprungen, um mitzuhelfen, den Bürgerkrieg zwischen den Moslems im Norden und den Christen im Süden zu schüren. Israel stellte Waffen und Ausbilder für die aus dem Süden. Dahinter steckte die Theorie, dass das von Moslems dominierte Regime in Khartum nicht viel würde tun können, um Nasser in Ägypten bei seinem Krieg gegen Israel zu helfen, wenn es von internen Machtkämpfen lahmgelegt würde. Bei diesem Auftrag beschränkte sich der Schrecken jedoch noch auf die wenigen Minuten vor dem Absprung. Danach war alles ganz einfach: Entweder man kam durch, oder man kam um.
Nach einem Jahr bei der Sondereinheit quittierte er den Militärdienst und ging auf die Universität. Er hatte genug; er hatte seine Pflicht getan. Einige Monate später klingelte das Telefon. Gehen Sie morgen zu einer Adresse im Zentrum von Tel Aviv. Keinerlei Erklärungen, außer dass es etwas mit der Armee zu tun hatte. Vier Tage lang stellte man ihm Fragen, um auch das kleinste Detail seiner Lebensgeschichte zusammenzukriegen. Der Hintergrund seiner Familie in Frankreich; alte Adressen und Telefonnummern in Marseille; alte Passnummern sowie Namen und Adressen von verstorbenen Verwandten.
Und dann die große Kriegslist. Er wurde zu Fortbildungszwecken wieder zum Militär einberufen. Ein dreimonatiger Nachrichtendienstkursus für Fortgeschrittene. Na gut. Schön. Kein Problem. In Israel ist jeder beim Militär. Dann ein weiterer Kursus. Diesmal für das höhere Nachrichtenwesen, bei weit höherem Gehalt, dem Gehalt eines Hauptmanns der israelischen Armee, das in jenen Tagen ein kleines Vermögen darstellte. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihm langsam klar, was da vor sich ging. Zu den in diesem Kursus behandelten Unterrichtsfächern gehörten verdeckte Nachrichtenübermittlung, Sprengstoffe, Ausbildung an Faustfeuerwaffen und wie man in einer Stadt operierte.
Und schließlich der offizielle Teil der Reifeprüfung. Eines Nachts holte man ihn aus dem Bett und brachte ihn zum Flughafen, wo man ihm einen falschen französischen Pass und zehn Dollar zusteckte, ihn in ein Flugzeug setzte und nach Frankfurt flog. Als er aus dem Flugzeug stieg, gab man ihm noch eine Adresse und sagte ihm, er solle sich in zehn Tagen dort melden. Bis dahin stand er auf eigenen Beinen, ohne Deutschkenntnisse, mit zehn Dollar in der Tasche. Er musste in einem fremden Land länger als eine Woche überleben, ohne seine Identität preiszugeben.
Was machte er also? Er überlebte. Er stahl ein Auto und fuhr damit durch Deutschland. Den Leuten sagte er, er sei ein französischer Student auf Semesterferien. Er schlug sich
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