Operation Beirut
Rogers auf dem Rückweg vom Flugplatz an der Botschaft vorbeischaute. Der Stationschef sah erschöpft aus. Er war verschwitzt, unrasiert, hatte eine Zigarette im Mund, eine Tasse Kaffee in der einen Hand, den Telefonhörer in der anderen.
«Wie schön, dass Sie mal bei uns reinschaun», sagte Hoffman mit ausgesuchter Höflichkeit, als er aufgelegt hatte.
Rogers spürte, dass er in Ungnade gefallen war, wusste allerdings nicht ganz, warum.
«Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht», fuhr Hoffman fort, «vielleicht könnten Sie uns dann bei einer kleinen Nachrichtensammlung zur Hand gehen, bevor sich dieses ganze beschissene Land in Rauch auflöst.»
Rogers begann sich zu entschuldigen, aber der Stationschef fiel ihm ins Wort.
«Sparen Sie sich das für den Kaplan», sagte Hoffman.
«Was um alles in der Welt ist los?», wollte Rogers wissen.
«Das, mein Junge, hängt ganz davon ab, mit wem Sie sprechen. Wenn Sie den Innenminister fragen, dann haben wir es mit ‹unzuverlässigen Gerüchten über Unruhen unter der Bürgerschaft gewisser Gegenden› zu tun. Wenn Sie Leute aus Dikwana fragen, dann ist da ein gottverdammter Krieg im Gange. Also, suchen Sie sich was aus.»
«Brauchen Sie Hilfe?», fragte Rogers.
«Wie rücksichtsvoll von Ihnen zu fragen», sagte Hoffman und fiel wieder in seinen sarkastischen Ton von vorhin zurück. «Wenn es Sie nicht zu stark in Anspruch nimmt nach Ihren Reisen, dann könnten Sie sich vielleicht mit Ihrem jungen Freund bei der Fatah in Verbindung setzen und herausfinden, was in Gottes Namen da drüben vor sich geht. Wenn man bedenkt, dass wir am Rande eines Bürgerkriegs stehen. Wenn es nicht zu viele Umstände macht, selbstverständlich.»
«Betrachten Sie es als erledigt», sagte Rogers. «Sobald ich ihn erreichen kann.»
«Dann ist da noch was, Sie Kanone», brummte Hoffman. «Das Hauptquartier beschwert sich über irgendein klugscheißerisches Kabel, das Sie angeblich von Kuwait aus losgeschickt haben. Stone hat uns beiden eine höfliche Note auf Agenturchinesisch geschrieben. Ich gebe Ihnen eine kurze Übersetzung: Wenn Sie sich nochmal so eine Nummer leisten, dann tritt er Ihnen in den Arsch! Kapiert?»
Rogers nickte gehorsam. Deshalb also ist Hoffman so aufgebracht, dachte er sich.
«Übrigens», rief Hoffman aus, als Rogers schon halb den Korridor hinuntergelaufen war. «Wie war Ihre Reise?»
Jane Rogers saß im Wohnzimmer und las den Kindern eine Geschichte vor, als ihr Mann nach Hause kam. Sie trug einen Tweedrock und einen leichten Pullover. Im Licht der Leselampe hatte ihr Gesicht die kräftigen Kontraste eines Chiaroscurogemäldes: das Haar schwarz und tief im Schatten, die Haut weiß und leuchtend.
Jane war überglücklich, ihren Gatten zu sehen. Rogers hatte nicht angerufen, um ihr zu sagen, wann er nach Hause käme. Er tat dies nur selten, aus Sicherheitsgründen. Sie umarmte ihn ausgiebig, und als es Zeit war, ihn loszulassen, drückte sie ihn noch einmal fest an sich.
«Wir waren die letzten Tage über ein wenig nervös», sagte sie, als die Kinder außer Hörweite waren.
«Nach dem, was Frank sagt, gab es hier in den letzten Tagen etwas Aufregung», sagte Rogers, der sich bereits schuldig zu fühlen begann.
«Vor zwei Tagen haben wir auf der Corniche Schüsse gehört. Der Bawab unten sagt, es sei nur eine Hochzeitsfeier, aber das sagen sie einem immer. Dann kam Binky Garrett aus der Botschaft vorbei und riet uns, abends ja zu Hause zu bleiben und uns einen Vorrat an Lebensmitteln anzulegen.»
«Binky ist nicht zurechnungsfähig», sagte Rogers.
Rogers bemerkte erst jetzt, dass die Wohnung einem Luftschutzbunker glich. Die Vorhänge waren dicht zugezogen, und die Speisekammer war bis oben hin mit Konserven vollgestopft. Im Korridor stapelten sich drei Kisten Mineralwasser.
«Ich habe wahrscheinlich etwas zu heftig reagiert», sagte Jane. Rogers wollte sich entschuldigen, fand jedoch nicht die richtigen Worte. Er blieb stumm; die Reue darüber, seine Familie in der Gefahr im Stich gelassen zu haben, ließ ihn schweigen.
«Sind die Kinder in Ordnung?», fragte Rogers schließlich.
«Denen geht’s prima», sagte Jane.
«Mark?»
«Dem geht’s gut. Er hat nur seinen Daddy vermisst.»
«Und Amy? Wie geht es Amy?»
Rogers’ Herz geriet ins Rasen, als er ihr diese Frage stellte. Das Einzige, was ihm auf dieser Welt wirklich Angst einjagte, war die Gesundheit seiner zweijährigen Tochter.
«Der geht’s besser», sagte Jane. «Der Arzt sagt,
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