Operation Beirut
Unbehagen spiegelte. Seine Familie stamme aus Marseille, pflegte er seinen Freunden zu sagen; auf Korsika habe er einige entfernte Verwandte. Er war ein nervöser Mann mit einem Reizmagen und kaute den ganzen Tag über Magenpillen, in der vergeblichen Hoffnung, sie würden die Spannungen lösen, die ihm die Eingeweide zerfraßen.
Yakov Levis Problem war, dass er gar nicht existierte. Zumindest nicht in Beirut. Es gab in der ganzen Stadt nicht einen Menschen mit diesem Namen. Stattdessen gab es einen Franzosen, einen Import-Export-Kaufmann namens Jacques Beaulieu, und Levi lebte in dessen Haut. Der weltmännische Monsieur Beaulieu arbeitete in einem Büro in der Rue de Phénice in West-Beirut, einige Blocks vom St. Georges Hotel. Auf der Messingplakette stand «Franko-Libanesische Handelsgesellschaft». Bei dieser handelte es sich um eine rührige kleine Import-Export-Firma, die einigen Profit abwarf, wie man so hörte, und deren Stab aus einer Handvoll gescheiter junger Männer und Frauen bestand, die allesamt feine Manieren hatten, Französisch, Englisch und Arabisch sprachen und im Libanon einen weitläufigen Bekanntenkreis hatten. Die Angestellten der Firma bereisten ausgiebig die arabische Welt, und sie hatten den Ruf, bei Geschäftsabschlüssen großzügige Provisionen zu bezahlen.
Levis Import-Export-Firma war in Wirklichkeit die Beiruter Mossad-Station. Seine Familie hatte tatsächlich einst in Marseille gelebt, war jedoch längst nicht mehr dort. Die Überlebenden waren jetzt in Israel zu Hause. Alle außer Yakov Levi, der sich Beaulieu nannte. Er war Jude und lebte heimlich inmitten von Arabern, die ihm nach dem Leben trachteten; und er lebte in andauernder Angst. Einer Angst, die so tief und beständig war, dass sie in seinen Körper eingegangen war und durch seine Venen floss. Seit drei Jahren war er in Beirut, und Tag für Tag standen seine Schaltkreise unter Hochspannung. Vor einigen Monaten hatte man ihm zum Ende des Jahres einen phantastischen Schreibtischposten zu Hause in Aussicht gestellt, aber er glaubte nicht daran. Er hielt das für eine Lüge, mit der man ihn dazu brachte, es noch einige Monate länger in der Hölle auszuhalten. Die Mossad-Station in Beirut, die bloße Tatsache, dass eine solche existierte, war eines der wahren Geheimnisse in einer Stadt, in der Tratsch und Spionage einen Lebensstil darstellten. Die Station hatte seit 1951 von verschiedenen Standorten aus operiert. Die Amerikaner hatten nicht die geringste Ahnung, wo sie sich befand, und das Gleiche galt für das Deuxième Bureau oder irgend sonst jemanden. Die Israelis, die für die Franko-Libanesische Handelsgesellschaft arbeiteten, hüteten sich, auch nur einer Menschenseele etwas über ihre wahre Identität oder ihre eigentliche Tätigkeit zu sagen.
Sie waren die Augen und Ohren Israels in der arabischen Welt. Sie bedienten tote Briefkästen, fungierten als Kuriere, sahen sich nach potenziellen Agenten um, sondierten das Terrain. So schlugen sie etwa die Rekrutierung des einen oder anderen Libanesen oder Palästinensers vor, übernahmen jedoch niemals die eigentliche Anwerbung oder Führung. Das war zu gefährlich. Eine falsche Bewegung, und mit der Tarnung der Station wäre es aus. Derartige Aufgaben überließen sie Mossad-Offizieren aus Europa, für die es keinerlei Problem darstellte, sich in Paris oder Rom mit Agenten zu treffen, von diesen Informationen entgegenzunehmen und ihnen ihr Gehalt zu bezahlen. Die Handvoll Mossad-Offiziere im Libanon lebte unter einer so tiefen Tarnung, dass sie es selbst untereinander vermieden, sich über ihre eigentliche Arbeit zu unterhalten.
Der eine Teil von Levis Aufgabenbereich bestand darin, die Amerikaner im Auge zu behalten. Die Nachrichtenoffiziere unter ihnen zu identifizieren, ihnen nachzuspüren, herauszubekommen, was sie hinter dem Schleier der offiziellen amerikanischen Politik im Nahen Osten insgeheim so unternahmen. Levi war für diese Aufgabe wie geschaffen. Er glaubte so gut wie nichts, was man ihm sagte, und am allerwenigsten glaubte er den Amerikanern.
Levi beobachtete Tom Rogers seit mehr als sechs Monaten. Er hatte sich davon überzeugt, dass er ein Falloffizier der CIA war, aber so etwas herauszufinden war nicht schwer. Alles, was man zu tun hatte, war, die Liste der Diplomaten durchzugehen und sich an den Fingern abzuzählen, wer nicht dazu passte; diejenige Person herauszupicken, deren Lebenslauf nicht ganz stimmig war; einer, der in der einen Botschaft
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