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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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losgingen, schien jeder sofort automatisch zu denken, dass alles noch viel schlimmer werden würde.»
    «Was haben die Leute gesagt?»
    «Gerüchte, Tratsch. Du kennst ja die Araber; wie sie immer daherreden. Nun, dieses Mal hatten sie ja wirklich etwas zum Reden, und sie konnten gleich gar nicht mehr aufhören. Der Blumenmann in der Rue Sadat meinte, dass die Moslems in der libanesischen Armee nicht auf die Palästinenser schießen würden, wenn es zu einem Kampf käme. Er sagte, sie würden sich weigern, Befehle von christlichen Offizieren entgegenzunehmen. Ich fragte ihn, woher er das wüsste, aber er zwinkerte mir nur zu. Und die christlichen Frauen in Smith’s Lebensmittelladen waren genauso. Alle behaupteten sie, sie hätten Freunde in Ost-Beirut, die jemanden bei den christlichen Milizen kennen. Als ich sie fragte, was denn passieren würde, schnalzten sie nur mit der Zunge. Was bedeutet das?»
    «Das kommt ganz darauf an», sagte Rogers. «In diesem Fall bedeutet es wahrscheinlich, dass sie nichts wussten, es aber nicht zugeben wollten.»
    «Sie meinten, die Krise sei noch nicht vorbei», sagte Jane.
    «Wer sagt das?»
    «Na, die Frauen bei Smith’s.»
    «Ahhh», Rogers lachte. «Verlässliche Quellen also.»
    «Es ist komisch», fuhr sie fort. «Dieses Land ist für mich so ruhig, so friedlich und modern. Ich habe nie gemerkt, dass es unter der Oberfläche so viele Spannungen gibt; erst in den letzten Tagen.»
    Rogers drückte sie an sich. Dies schien ein Abend für Umarmungen zu sein.
    «Lass uns zu Bett gehen», sagte Jane.
    Sie liebten sich zärtlich, und Rogers versuchte im Bett zum Ausdruck zu bringen, was er ihr hatte sagen wollen, aber nicht über die Lippen gebracht hatte. Sie waren schon fast eingeschlafen, als Rogers noch einmal fragte:
    «Was hat der Arzt wegen Amy gesagt?»
    «Ich habe es dir doch gesagt», sagte Jane schläfrig. «Sie ist auf dem Weg der Besserung. Und in einigen Monaten ist sie wieder so gut wie neu.»
    «Glaubst du ihm?», fragte Rogers.
    «Dieses Mal glaube ich es wirklich», sagte Jane. Sie fühlte sich warm an, so an seine Seite gedrückt, wie eine Katze.
    Rogers zündete sich eine Zigarette an und dachte an Amy.
    «Verzeihst du mir, was passiert ist?», fragte er. Er bekam keine Antwort. Sie war eingeschlafen.
     
    Für Rogers fasste Amys Geschichte all das zusammen, was den Nahen Osten so erschreckend und unberechenbar machte. Es hatte als mysteriöse Krankheit angefangen, die niemand zu verstehen schien, geschweige denn zu behandeln wusste. Rogers hatte sich nie in seinem Leben hilfloser gefühlt oder größere Angst gehabt.
    Es hatte eines Tages in Oman angefangen; Amy war gerade achtzehn Monate alt. Sie hatte Schwierigkeiten mit dem Gehen gehabt – sie war viel langsamer, als Mark es gewesen war – und lernte nur allmählich, in der Wohnung herumzukrabbeln. Und dann fiel sie eines Tages hin. Sie rappelte sich auf und fiel wieder hin. Zuerst schien das ganz lustig – so hilflos und süß, wie sie war –, aber es passierte immer wieder, und am nächsten Tag war es Rogers und seiner Frau klar, dass etwas nicht stimmte. Dann begann Amy Sachen fallen zu lassen. Kekse, Spielzeug, ihre Flasche.
    Sie gingen zu einem Kinderarzt. Sein Name war Dr.Abdel-Salaam Fawzi. Er war Ägypter, lebte aber seit vielen Jahren in Muskat. Sämtliche reichen arabischen und europäischen Familien brachten ihre Kinder zu ihm.
    Rogers erinnerte sich an jede Einzelheit dieses schrecklichen Tages, als sie in Dr.Fawzis Klinik gegangen waren und die Diagnose hörten. Es war heiß, und das Wartezimmer roch nach Knoblauch und Zigarettenrauch. Die Schwester hatte Rogers und seine Frau in das Sprechzimmer des Arztes gerufen, als seien sie Gefangene, die ihr Urteil erwarteten. An Dr.Fawzis Wand sah Rogers einen Doktorgrad von der Amerikanischen Universität Beirut hängen; daneben andere Diplome verschiedener medizinischer Organisationen im Oman und eine persönliche Referenz des Emirs von Abu Dhabi.
    «Bitte setzen Sie sich», sagte der Arzt. Er war ein förmlicher Mann in einem dreiteiligen Anzug, trotz der Sommerhitze. Er erinnerte Rogers an alte Bilder von ottomanischen Beamten aus der Zeit der Jahrhundertwende: Würdig und ordentlich trugen sie ihre beste Garderobe wie Uniformen der Respektabilität, von ihren arabischen Wurzeln zugleich geadelt und peinlich berührt. Dem Doktor hätte nur noch ein roter Fes gefehlt, um das Bild zu vervollkommnen.
    «Ich habe eine Reihe neurologischer Tests

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