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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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dass sie schon über den Berg ist.»
    «Gott sei Dank!», sagte Rogers. Einen Augenblick lang verspürte er ein Gefühl der Leichtigkeit, als hätte man ein Gewicht von seinem Körper genommen. Aber er wollte den guten Nachrichten nicht trauen, und seine Zweifel zeigten sich auf seinem Gesicht.
    «Sie ist im anderen Zimmer», sagte Jane. «Geh und schau selber nach.»
    Rogers ging in Richtung des Kinderzimmers, das in leuchtenden Farben gestrichen und mit allem möglichen Spielzeug vollgestopft war. Er hatte eine Tüte mit Geschenken bei sich, die er in Kuwait gekauft hatte.
    «Daddy ist da», rief Rogers in Richtung des Kinderzimmers.
    «Was hast du uns mitgebracht?», rief Mark.
    Der Junge raste auf seinen Vater zu. Er trug eine Baseballmütze der Boston Red Sox und ein T-Shirt mit dem Aufdruck «Amherst 198?».
    Amy wackelte etwas langsamer hinterdrein. Sie war ein hübsches Kind mit blondem Haar, einem offenen Lächeln und roten Wangen. Sie trug ein weißes, mit Blumen besticktes Sommerkleidchen. Sie lief mit den kantigen, krummbeinigen Schritten eines Kleinkindes. Auf dem halben Weg zu ihrem Vater purzelte sie auf den Teppich.
    Rogers zuckte zusammen. Er hob sie auf und umarmte sie.
    «Völlig gesund ist sie noch nicht», erklärte Jane. «Aber es geht ihr besser.»
    «Amy», sagte Rogers. «Hier ist ein Geschenk für dich.»
    Er griff in die Tasche und reichte ihr eine handgemachte Puppe, die er in Kuwait gekauft hatte; sie trug eine Haremshose und einen Schleier. Das Mädchen nahm die Puppe und begann ihr die Kleider auszuziehen. Als sie die Hose wegzog, rutschte ihr die Puppe aus den Fingern und fiel zu Boden.
    Rogers hob das Spielzeug vom Boden auf und gab sie seiner Tochter behutsam zurück.
    «Hast du es bemerkt», fragte Jane lächelnd. «Sie ist schon viel stabiler.»
    Rogers gab seinem Sohn ein Reklameposter der kuwaitischen Fußballnationalmannschaft, auf dem «Unser Kamel ist ein Gewinner!» stand.
    «Toll!», sagte Mark, der bereits ein kleiner Fußballfan war.
    Rogers brachte es nicht übers Herz, seinem Sohn zu sagen, dass die kuwaitische Fußballnationalmannschaft des Jahrgangs 1970 eine der schlechtesten der Welt war; schlecht sogar nach dem bescheidenen Standard des Persischen Golfs. Ihr Kamel war, um genau zu sein, alles andere als ein Gewinner.
    «Also wer führt die libanesische Fußballliga an?», fragte Rogers seinen Sohn, der jeden Morgen in der Zeitung die Tabellen studierte.
    «Die Drusen!», sagte der Junge. «Mit einem Punkt.»
    «Was ist mit den Schiiten?», fragte Rogers. Bevor er weggefahren war, hatten sie die Liga angeführt.
    «Auf dem dritten», sagte sein Sohn.
    Was für ein Land, dachte Rogers. Die Religion war derart tief in das Leben dieser Nation eingeprägt, dass sie sogar den Sport beherrschte. Wenn man irgendeinen Fußballfan fragte – selbst einen aus der Grundschule wie Mark –, dann zerlegte er die erste Division der libanesischen Fußballliga in religiöse Sekten: eine Mannschaft drusischer Moslems, eine Mannschaft schiitischer Moslems, zwei Mannschaften aus sunnitischen Moslems aus West-Beirut, drei Mannschaften maronitischer Christen aus Ost-Beirut, eine griechisch-orthodoxe Mannschaft, eine sunnitische aus Tripoli, eine maronitische Mannschaft aus Zgharta und zwei armenische Mannschaften, eine davon politisch links, die andere rechtsgerichtet.
    Mark sah seinen Vater besorgt an.
    «Daddy, wird die Fußballliga weiterspielen, wenn es Krieg gibt?»
    «Red kein Zeug», sagte ihm Rogers. «Es wird keinen Krieg im Libanon geben. Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt?»
    «Niemand», sagte Mark. Er sah erleichtert aus.
    Nachdem die Kinder zu Bett gegangen waren, gab er Jane ein Armband, das er im Gold-Souk von Kuwait gekauft hatte. Er legte es ihr so zärtlich wie möglich ums Handgelenk.
    «Lass uns was trinken», sagte Jane.
    Rogers kam mit einem Glas Wodka mit Orangensaft für seine Frau wieder und einem großen Glas Whisky für sich selbst. Er setzte sich auf die Couch. Jane kuschelte sich an ihn.
    «Ich fühle mich schuldig, dass ich euch immer allein lasse», sagte Rogers.
    «Na prima. Das solltest du auch! Du warst ein Mistkerl, uns hier allein zu lassen.»
    Sie runzelte die Stirn, dann küsste sie ihren Mann zärtlich auf die Wange.
    «Wo hat Mark dieses ganze Gerede von einem Krieg aufgeschnappt?», fragte Rogers.
    «Das hört man überall. In der Schule. Auf dem Markt. Das war es, was einem eigentlich Angst gemacht hat. Gleich als die Kämpfe

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