Operation Beirut
Sie wollen», sagte die Französin. Sie schloss die Augen, während sie es aussprach.
Rogers war in einem billigen Hotel in Arlington abgestiegen, in dem die Agentur Leute einquartierte, die vorübergehend wegen anderweitiger Verpflichtungen zu Hause waren. Er hatte sich einquartiert, einige Freunde angerufen, um seine Ankunft bekanntzugeben, und einen Spaziergang über die Key Bridge nach Georgetown gemacht.
Er saß in einer Bar und versuchte sich klar darüber zu werden, ob er die Frau aus dem Flugzeug anrufen sollte. Er kam sich komisch vor, sich überhaupt so eine Frage zu stellen. Er war monogam, und zwar ebenso aus Gründen des persönlichen Wohlergehens wie seiner eigenen Sicherheit. Die Überzeugung, dass er glücklich verheiratet war, hatte eine zentrale Stellung in seinem Wohlbefinden. Aber er verspürte momentan eine Rastlosigkeit, einen Drang nach Abenteuer und Verhängnis, einen Impuls, wie man ihn zuweilen auf einem hohen Balkon verspürt, wenn man sich über das Geländer beugt.
Spring!, sagte er sich. Die Französin tauchte vor ihm auf, zwischen weichen Kissen und weißen Laken auf ein Bett drapiert. Er ging ans Telefon und wählte die Nummer des Madison. Ich werde sie zum Essen einladen, dachte er sich. Wer weiß, was sich daraus ergibt? Wir gehen zusammen essen. Ein unschuldiger Flirt.
«Hotel Madison. Guten Abend», sagte der Mann am anderen Ende.
«Das Zimmer von Madame Godard, bitte», sagte Rogers. Er war nervös wie ein Teenager bei seiner ersten Verabredung.
Das Telefon klingelte.
Was sollte er sagen, wenn sie abnahm? Tag. Sie haben mir völlig den Kopf verdreht. Sie gehen mir nicht mehr aus dem Sinn. Nein, das ganz sicher nicht. Er würde sich etwas ausdenken, wenn sie abnahm.
Das Telefon klingelte weiter.
Rogers’ Handflächen wurden nass. Er hörte eine Stimme. Es war der Mann vom Schaltpult des Hotels.
«Tut mir leid, Sir, es antwortet niemand.»
Rogers ging an die Bar zurück und trank einen weiteren Whisky. Er wartete eine halbe Stunde und rief noch einmal im Hotel an. Das gleiche nervöse Warten. Wieder keine Antwort.
Er entschloss sich, im
Jean-Pierre
, seinem französischen Lieblingsrestaurant in der K-Street, zu Abend zu essen. Als er dort ankam und die weichgepolsterten Bänkchen und die zarten Aquarelle an der Wand sah, rief er noch einmal im Hotel an. «Madame Godard, bitte.»
«Einen Augenblick, bitte», sagte der Mann am Schaltpult. Wieder klingelte es.
«Allo …»
Die Stimme eines Mannes. Im Hintergrund glaubte Rogers die Stimme einer Frau zu hören, die sang.
«Allo?»
Der Mann hatte einen französischen Akzent.
Vielleicht ist es nur der Piccolo, dachte sich Rogers.
«Guten Abend», sagte Rogers. «Ist Madame Godard zu sprechen?»
«Un moment», sagte der Mann auf Französisch.
«Ja?», sagte die Stimme einer Frau.
«Véronique», sagte Rogers. «Hier ist Tom, wir haben uns im Flugzeug kennengelernt.»
«Wer?», fragte die Stimme.
«Aus dem Flugzeug», wiederholte Rogers.
«O ja. Hallo», sagte sie mit gedämpfter Stimme. Sie klang verlegen.
«Ich dachte mir, Sie hätten heute Abend vielleicht Zeit, mit mir zu essen», sagte Rogers.
Sie senkte ihre Stimme fast zu einem Flüstern. «Nicht heute Abend. Ich habe schon etwas vor. Vielleicht ein andermal.»
«Ja, vielleicht», sagte Rogers und wusste im gleichen Augenblick, dass er sich nicht mehr melden würde.
«Ich freue mich, dass Sie anrufen», sagte die Frau mit einer Stimme, die kaum zu hören war. Rogers stellte sie sich vor, wie sie im Bademantel dastand und ins Telefon flüsterte, während ihr Liebhaber eifersüchtig im Zimmer auf und ab ging. Das gab ihm eine perverse Art von Genugtuung, die allerdings nicht lange vorhielt. Immerhin hatte der Franzose Madame Godard. «Ich finde Sie sehr schön», sagte Rogers. Jetzt war auch schon alles egal. Er konnte sagen, was er wollte.
Sie lachte kurz auf; ein Lachen, das gleichzeitig bescheidenen Protest und weitere Verführung darstellte.
«Auf Wiedersehen», sagte Rogers.
Er warf einen traurigen Blick auf das Telefon; dann legte er auf. «C’est dommage», sagte Rogers zum Oberkellner, als er auf seinen Platz zurückkehrte. Der Kellner lächelte genüsslich. Rogers bestellte Kalbsmedaillons mit Kastanienpüree, eine Spezialität des Hauses. Nachdem er den größten Teil einer Flasche Burgunder geleert hatte, fragte er sich, ob es oben im Himmel vielleicht einen Engel gab, der trotz der Seitensprünge seiner Phantasie dafür sorgte, dass er
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