Operation Beirut
Beiruter Station, den Auf und Ab der Agentur.
«Wie geht es eigentlich meinem alten Freund Frank Hoffman?», fragte Stone, nachdem die beiden ihre Steaks gegessen und den größten Teil des Weins getrunken hatten.
«Ich wusste nicht, dass Sie beide Freunde sind», sagte Rogers. Er konnte sich eine solche Freundschaft kaum vorstellen.
«O ja, in der Tat», sagte Stone. «Frank hat mich in Europa mal davor bewahrt, einen schlimmen Fehler zu begehen. Ich bin ihm heute noch dafür dankbar.»
«Was war das für ein Fehler?», fragte Rogers.
«Die Einzelheiten sind heute schon ein wenig verschwommen», sagte Stone. Wie bei vielen CIA -Offizieren traf sein Erinnerungsvermögen eine sorgfältige Auswahl. Er war in der Lage, sich ganz präzise Fakten ins Gedächtnis zu rufen, die dazu nötig waren, ein aktuelles Problem anzupacken – und alles andere zu vergessen. «Erzählen Sie mir davon», drängte ihn Rogers. «Das würde mich interessieren.»
«Wir waren nach dem Krieg zusammen in Deutschland», erklärte Stone. «Frank war mein Sicherheitsmann. Es war noch nicht lange her, dass er vom FBI zum CIA übergewechselt war.»
«Er war also wirklich beim FBI .»
«Aber ja. Wussten Sie das nicht? Deshalb besteht er auch darauf, immer eine Waffe zu tragen.»
«Er spricht nicht viel über seine Vergangenheit, oder wenigstens nicht mit mir», sagte Rogers. «Was ist in Deutschland passiert?»
«Wir versuchten damals einige Agentenringe der Abwehr wiederaufzubauen. Die Deutschen hatten einen besonders tüchtigen Burschen in Prag sitzen. Es gelang uns, ihn zu einem Plauderstündchen in den Westen zu schaffen. Hoffman und ich haben einen Abend mit ihm verbracht.
Ich war mächtig beeindruckt nach dem Gespräch. Er war ein ungeheuer cleverer Kerl, der weitläufige Kontakte unterhielt und die Russen zu verabscheuen schien. Er schien mir ein ausgezeichneter Kandidat. Aber Hoffman gefiel er gar nicht.»
«Warum nicht?»
«Er wollte erst eigentlich nicht damit herausrücken. Er sagte nur immer wieder, dass ihm an diesem Agenten etwas faul vorkam. Schließlich erklärte er dann, dass dieser tschechische Agent schon deshalb unzuverlässig sei, weil er kein Patriot war. Jeder Tscheche, der für die Nazis gearbeitet hätte, sei ein zweifelhafter Charakter, behauptete er. Wenn einer einmal sein eigenes Volk verraten hatte, um für die Deutschen zu arbeiten, dann konnte er genauso gut uns verraten. Ich habe das anders gesehen. Ich war der Meinung, wir könnten ihn für unsere Zwecke benutzen.»
«Wer hatte recht?»
«Hoffman, natürlich. Der Tscheche war tatsächlich ein fauler Kunde. Aufgrund von Franks Bedenken setzten wir ihn nicht bei sicherheitsgefährdeten Operationen ein. Aber wir behielten ihn etwa ein Jahr auf der Gehaltsliste, bis wir von einem KGB -Überläufer, der in Prag gedient hatte, erfuhren, dass ebendieser Tscheche sich an sie gewandt hatte. Wir hatten großes Glück. Die ganze Geschichte hätte in einer Katastrophe enden können. Hoffman weigerte sich, dafür irgendeine Anerkennung anzunehmen. Er meinte, er hätte lediglich Glück beim Raten gehabt.»
Rogers dachte einen Augenblick über die Geschichte nach und überlegte, bevor er seine Frage stellte.
«Was würde heutzutage passieren?», fragte Rogers vorsichtig.
«Wie meinen Sie das?», wollte Stone wissen.
«Ich meine, was würde heutzutage passieren, wenn jemand Widerspruch gegen eine Operation einlegen würde, weil er spürt, dass an ihr etwas faul ist.»
«Ahhh», machte Stone. «Eine gute Frage. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde man ihn auf der Stelle nach Hause beordern – zu Konsultationen.»
Rogers war sich nicht sicher, ob Stone scherzte.
«Die Zeiten haben sich geändert», sagte Stone. «Die kleine und erfahrene Organisation, der Hoffman und ich damals beigetreten sind, existiert heute eigentlich nicht mehr. Sie ist durch Bürokratie ersetzt worden; und eine große Bürokratie hat ihre eigenen Regeln, ihren eigenen Pulsschlag. Es gab noch keine gesammelten Fälle oder einen Erfahrungsschatz, von dem man hätte zehren können. Heute haben wir das alles. Das Traurige daran», fuhr Stone fort, «ist, dass es nicht viel Sinn hat, diese Veränderungen zu bedauern. Genauso gut könnte man den Lauf der Zeit bedauern. Wenn Organisationen wachsen, verändern sie ihren Charakter. Sie entwickeln ihre eigenen Systeme und ihre eigenen Methoden. Es entsteht eine bürokratische Kultur, die jene belohnt, die nach ihren Regeln spielen, und die
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