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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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seiner Frau treu blieb. Er versuchte sich an den Rat zu erinnern, den ihm vor langer Zeit in der Schule ein Priester gegeben hatte. War der Wunsch nach Ehebruch in den Augen Gottes das Gleiche wie der Akt selbst? Mit Sicherheit nicht. Aber er konnte sich einfach nicht mehr genau erinnern. Vielleicht wurde er alt.
    Um neun Uhr morgens traf ein Pendelbus im Hotel ein. Er hatte mattierte Fenster, sodass ein zufällig den George Washington Parkway entlanggondelnder KGB -Agent nicht sehen konnte, wer sich da auf den Weg zum CIA -Hauptquartier machte. Der Bus lieferte Rogers im Keller des Gebäudes ab. Er passierte die Sicherheitskontrollen und stieg in den Aufzug zu jenem Flügel, in dem der Stellvertretende Direktor der Planungsabteilung und seine Lakaien ihre weltweiten Eskapaden ausheckten. Eine Sekretärin in einem äußeren Vorzimmer begrüßte Rogers, servierte ihm Kaffee und führte ihn dann einen Korridor hinunter. Das Hauptquartier sah so sauber und gesund aus. Irgendjemand hatte Rogers mal gesagt, man hätte den Bau absichtlich wie einen Universitäts-Campus angelegt. Ein Ort, an dem Leute Pfeife rauchten und Seminare besuchten. Wie weit war dieses Bild doch von der Welt entfernt, in der er lebte, dachte er.
     
    «Das Problem bei Ihrem Operationsplan ist, dass es kein Plan ist», sagte John Marsh.
    Rogers hörte sich das ausdruckslos an. Er saß mit Marsh und Stone in einem der Konferenzzimmer. Der Raum war mit Fotografien früherer Chefs der Geheimen Dienste dekoriert. Eine Galerie von aus Stein gemeißelten Gesichtern, abgewogenen Urteilen und steifen Ohren.
    «Ich dachte, diese Fragen wären schon vor einem Monat geklärt worden, und jetzt höre ich, dass dem nicht so ist», fuhr Marsh fort.
    Marsh gab zu Rogers einen interessanten Kontrast ab. Er war kleiner, ordentlicher, disziplinierter, skrupelloser. Während Rogers in seinem Cordsamtanzug einen entspannten und legeren Eindruck machte, kleidete sich Marsh mit dem Anspruch eines Filialleiters bei Amerikas erstem Herrenausstatter. Er trug einen blauen Nadelstreifenanzug, ein weißes Hemd mit geknöpftem Kragen, der sich keinen Deut mehr rollte, als es sich gehörte, eine gelbe Krawatte, gestreifte Hosenträger und ein Paar Mokassins mit Quasten. Sein Haar war streng nach hinten gekämmt. Hätte Marsh einer gesagt, er sei glatt und hart wie eine Gewehrkugel, er hätte sich wahrscheinlich geschmeichelt gefühlt.
    «Auch auf die Gefahr hin, unbescheiden zu klingen», machte Marsh weiter, «ich muss darauf hinweisen, dass das zentrale Problem im Persönlichen Fragebogen das gleiche ist, auf das ich Toms Aufmerksamkeit mit meinem Kabel nach Kuwait zu lenken versuchte. Ich spreche von dem, das – sagen wir mal – verloren ging.» Er schalt Rogers in der knappen, blutlosen Art, in der ein Lehrer einen nicht besonders hellen Schüler zur Rechenschaft zieht.
    «Es sollte eigentlich nicht nötig sein, jemanden mit Toms Erfahrung und Ansehen daran zu erinnern …»
    Rogers bemerkte, dass man in der dritten Person von ihm sprach. Er hatte einen Augenblick lang gute Lust, Marsh mit der Faust ins Gesicht zu schlagen.
    «… dass das Wesen einer jeden erfolgreichen Nachrichtenoperation die Kontrolle ist.»
    «Ein unkontrollierter Agent gleicht einem ungelenkten Geschoss», fuhr Marsh fort. «Wir haben keinen Ansatzpunkt, keinerlei Handhabe, sein Verhalten zu manipulieren. Der unkontrollierte Agent kann in jedwede Richtung davonlaufen, die ihm gerade passt, kann mit jedem sprechen, wie es ihm passt, kann entweder tun, was wir von ihm verlangen, oder auch nicht, wie es ihm gerade einfällt. Meiner Meinung nach ist es besser, sich von vornherein nicht mit einer solchen Person einzulassen, ganz egal, auf welch hervorragendem Platz er sitzen mag, weil das Potenzial für Unheil einfach zu groß ist. Ich betrachte es als wesentlich, besonders in einer Organisation wie der Fatah, die bereits völlig von den Sowjets infiltriert ist, nur mit Leuten zu arbeiten, die wir disziplinieren können.»
    Als er seine Abhandlung beendet hatte, nahm Marsh ein blütenweißes Leinentaschentuch aus seiner Brusttasche und betupfte sich damit den Mund. Rogers stellte fest, dass er mit einem vor Jahren über Marsh gefällten Urteil ganz recht gehabt hatte: Marsh war ein aufgeblasener Dummkopf.
    Rogers lieferte eine kurze Rechtfertigung seiner Empfehlungen im Falle PECOCK , indem er dieselben Argumente wiederholte, die er im Persönlichen Fragebogen angegeben hatte. Er sprach ruhig und mit

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