Operation Blackmail
antwortete sie ihm beinahe
despektierlich in recht passablem Französisch und lachte: »Das war eigentlich
gar nicht ich, sondern der Innenminister.«
»Alliot selbst?«, fragte Dominique erstaunt.
»Ja, höchstpersönlich. Ich hatte schon vermutet, dass ich bei Rocard
ohne göttlichen Beistand und weltliche Hilfe nichts zu melden hätte.«
Eine Frau, die mir nichts dir nichts um halb elf Uhr nachts den
Innenminister einschaltet und auch noch umwerfend aussieht? Dominique war
beeindruckt. Hier hatte er es offenbar mit einer ganz besonderen Person zu tun.
»Darf ich Sie fragen, für welche Behörde Sie eigentlich arbeiten, Mademoiselle
Lang?«
»Fragen dürfen Sie, aber ich werde Ihnen nicht antworten«, bemerkte
sie trocken und beendete damit ihr kurzes Gespräch. »Würden Sie mir jetzt bitte
meine Netzwerkkennung und die IP-Nummern für das Login aushändigen, ich muss
wirklich ins Bett.«
Elende Zicke, dachte er, beteuerte aber trotzdem:
»Selbstverständlich, bitte entschuldigen Sie.«
Als er aufstand, um ihre Bescheinigung aus dem Drucker zu holen,
packte sie ihn sanft und dennoch bestimmt am Arm: »Sorry, das hat wirklich
nichts mit Ihnen zu tun, aber ich bin seit über zwanzig Stunden auf den Beinen
und kann kaum noch stehen. Vielleicht ein andermal, okay?«
Dominique nickte. Sie sah tatsächlich müde aus, konstatierte er und
drückte ihr die Zugangsdaten inklusive Sonderermittlerausweis in die Hand.
»Jetzt müssen wir Ihnen nur noch eine Waffe besorgen, dann sind wir fertig für
heute«, sagte er und hob den Hörer seines Diensttelefons ab, um im Magazin
Bescheid zu geben.
»Nicht nötig. Mir auch noch eine Knarre geben zu wollen, nennt man
wohl vorauseilenden Gehorsam seitens Ihres Chefs«, hielt sie ihn zurück, zog
das Revers ihres Blazers zur Seite und gestattete ihm einen Blick auf ein
schwarzes Schulterholster. Abgesehen von der Tatsache, dass Dominique ihre
Chuzpe bewunderte, mit einer Waffe ohne Erlaubnis in ein fremdes Land zu
reisen, beeindruckte ihn ihr guter Geschmack: Es handelte sich um eine Jericho
941, ein israelisches Modell, die sich vor allem durch ihr kompaktes Design bei
dennoch hoher Feuerkraft auszeichnete. Obwohl er seit der Polizeischule ein
ausgesprochener Waffennarr war, kannte er diese spezielle Variante nicht. Sie
schien aus einem neuartigen Material zu bestehen. Die exotische Pistole trug zu
dem überaus seltsamen Gefühl bei, das ihn seit dem Auftritt von Agent Lang
beschlich: Das war keine einfache Polizistin, dessen war sich Dominique sicher.
Seine Neugier war geweckt: »Ich habe Feierabend. Darf ich Ihnen anbieten, Sie
zu Ihrem Hotel zu fahren?«, fragte er in der Hoffnung, mehr über sie
herauszufinden.
»Eigentlich â¦Â«, setzte sie an, »⦠na gut, ehrlich gesagt, wäre
ich froh, nicht wieder ein Taxi suchen zu müssen. Sie haben den Job.«
Als sie zwanzig Minuten später in seinem alten Porsche durch dichtes
Schneetreiben Richtung Innenstadt fuhren, war es allerdings zunächst Agent
Lang, die ihn ausfragte: »Sagen Sie, Dominique, wie kommt ein einfacher
Polizist zu so einem schmucken Auto?« Wieder einmal verfluchte er sich dafür,
dass er keinen der unprätentiösen Polizeiwagen genommen hatte, sondern mit
seinem Geschoss angeben wollte. Da war er wieder, der Versuch, seine
Täubchenbrust zu kompensieren. Dennoch antwortete er wahrheitsgetreu. Er
riskierte lieber, durchschaut zu werden, als Zweifel an seiner Integrität
zuzulassen: »Ein Geschenk meines Vaters zur bestandenen Polizeischule.«
»Schöner Wagen«, bemerkte sie schlicht und strich über das
zerfurchte Leder des zwanzig Jahre alten Beifahrersitzes. Für Dominique wirkte
die Geste beinahe sinnlich.
»Ja, das kann er, teure Geschenke aussuchen«, murmelte Dominique und
hoffte im nächsten Moment, dass sie ihn nicht gehört hatte. Entweder hatte er
Glück, oder sie war nett genug, nicht darauf einzugehen. Er warf einen
verstohlenen Blick auf ihre Beine: muskulös, aber schlank, kein Gramm Fett. Sie
erinnerte selbst in ihrem konservativ geschnittenen schwarzen Kostüm an eine
austrainierte Sportlerin. Eine Sportlerin mit einer illegalen Jericho, die beim
Polizeipräsidenten reinmarschiert und eine halbe Stunde später mit Befugnissen
ausgestattet ist, die selbst seine eigenen überstiegen. Er beschloss, die
richtige Ausfahrt zu
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