Operation Blackmail
für uns, dass wir genau
begreifen, was geschehen ist â¦Â«, begann sie und wartete geduldig auf eine
Antwort. Erst als sie ihrem Gegenüber ein weiteres Nicken abgerungen hatte,
fuhr sie mit ruhiger Stimme fort: »Bitte erzählen Sie mir noch einmal ganz genau,
was vorgefallen ist.«
»Das habe ich doch alles schon Ihren Kollegen erzählt. Mein Mann â¦
er war beim Golf, kam um kurz nach halb vier zurück. Mit dem Auto. Wir haben
uns kurz unterhalten, dann ist er nach oben, um seine E-Mails zu lesen. Ich
habe ihm etwas zu essen gemacht, und dann â¦Â«, sie konnte den Satz nicht
beenden und brach wieder in Tränen aus. Solveigh nahm sie verständnisvoll in
den Arm. Die Polizeipsychologin erschien in der Tür und bedeutete mit einem Fingerzeig
auf ihre Armbanduhr, dass Solveighs Zeit ablief.
»Bitte, Frau Kenteris. Ich möchte Sie wirklich nicht quälen, aber
jedes Detail ist wichtig, jedes noch so kleine. Wann genau haben Sie ihm Essen
gemacht? Bitte, versuchen Sie sich zu erinnern.«
»Es war ⦠15:39 Uhr, da habe ich es in die Mikrowelle gestellt zum
Aufwärmen. Die Anzeige. Zwei Minuten später habe ich es rausgenommen und bin
die Treppe rauf, dann kam der Anruf, auf dem Weg zurück in die Küche ist es
dann passiert.«
»Was für ein Anruf?«, erkundigte sich Solveigh wie beiläufig.
»Es war niemand dran, falsch verbunden wahrscheinlich.«
Solveigh dachte eine Sekunde darüber nach, was sie gerade erfahren
hatte, und murmelte dann: »Danke, Frau Kenteris, ich wünsche Ihnen alles Gute,
von Herzen.«
Zum Abschied streichelte sie noch einmal die Wange der kleinen
Louisa und überlieà Frau Kenteris der Polizeipsychologin. Was hatte der Anruf
zu bedeuten? Zufall? Im Leben nicht. Aber was dann? Vor dem Haus setzte sie
sich auf einen Stein in die Nachmittagssonne und dachte nach. Zwei Minuten,
drei Minuten. Eine schreckliche Erkenntnis nahm in ihrem Kopf Gestalt an.
Vier Minuten später wählte sie Thaters Nummer bei der ECSB: »Will,
wir haben ein Problem.«
»Ich weiÃ, Solveigh, wir arbeiten mit Hochdruck daran, glaub mir.
Die Athener Polizei sucht im ganzen Stadtgebiet nach ihm und Dominique â¦Â«
»Das meinte ich nicht, Will«, unterbrach sie ihn leise und derart
langsam, dass sie selbst fast Angst hatte, ihr Satz würde stehen bleiben: »Er
war es nicht.«
»Was meinst du damit, er war es nicht?«
»Thanatos hat Dominique, aber er ist nicht unser EuroBank-Mörder.«
Scheinbar seelenruhig erklärte sie ihm, dass sie überzeugt war, der wahre
Mörder habe Kenterisâ Frau und das Kind durch einen Anruf gerettet, und das
hieÃ, er musste in der Nähe gewesen sein. »Und wo«, schloss sie ihre
Ausführungen, »war Thanatos um 15:41 Uhr, als die Bombe hochging?«
»Auf einem verdammten Hügel in Petroupolis«, lautete seine Antwort:
»Oh mein Gott, wir haben uns doppelt verrechnet.«
KAPITEL 32
München, Isarauen
Tag 5: Freitag, 11. Januar, 17:01 Uhr
Mao Gruber ging nicht ohne Grund an der Isar spazieren.
Leonids nächstes Ziel musste die EuroBank dort treffen, wo sie es am wenigsten
erwartete: in ihrer Heimatstadt Frankfurt. Deshalb konnte Mao seinem Partner
die nächste Nachricht in der Nähe von München übergeben und so die Ãberwachung
von Solveigh Langs Rechner lückenlos fortsetzen. Zu diesem Zweck schlenderte er
jetzt im milden Januar-Sonnenschein zwischen Kinderwagen schiebenden Müttern und
älteren Herrschaften, die ihre Vierbeiner ausführten, an den Ufern des Flusses,
der von Süden nach Norden mitten durch die Stadt floss. Da der Schnee in den
Bergen noch nicht geschmolzen war, führte die Isar nicht besonders viel Wasser,
und das würde sich auch in den nächsten Tagen nicht ändern. Die Auen, welche
bei Hochwasser im Frühjahr überflutet wurden, waren von einem weiÃen
Schneeteppich bedeckt, die Eiskristalle knirschten unter seinen Turnschuhen.
Von seiner Wohnung brauchte er nur fünf Minuten, um den idyllischen Flusslauf
zu erreichen, das Päckchen für Leonid trug er unter seiner dicken Daunenjacke,
wetterfest in Ãlpapier eingeschlagen. Maos Gedanken jedoch standen in krassem
Gegensatz zu der verträumten Landschaft. Obwohl er äuÃerlich den freundlichen
Spaziergänger mimte, kochte er innerlich vor Wut. Nachdem er Solveigh Langs
Rechner erst einmal geknackt hatte,
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