Operation Blackmail
ihn im Stich lassen?«, fragte
sie ungläubig.
»Wie ich schon sagte: Wir haben keine Wahl. Vor einer halben Stunde
ist der Chef der EuroBank in Griechenland Opfer eines Bombenattentats
geworden.«
Ein neuer Mord, hier in Athen? Thanatos musste die Bombe gestern
Nacht gelegt haben. Sie hörte, was Thater von ihr verlangte, aber ihr Herz
wollte nur eins: Dominique wiederfinden, wiedergutmachen, was sie verbockt
hatte.
»Solveigh, du fährst zum Tatort.«
»Will, das kann nicht dein Ernst sein!«, protestierte sie.
»Doch. Keine Widerrede. Das ist ein direkter Befehl. Ich verspreche
dir persönlich, dass ich alles tun werde, um die griechischen Kollegen zu
unterstützen, Dominique zu finden, aber du musst weiter funktionieren.« Thater
blieb hart.
Funktionieren? Dass ich nicht lache. Aber Thater lag noch viel
richtiger mit seiner Einschätzung, als er ahnen konnte. Sie brauchte dringend
eine Apotheke, und zwar so schnell wie möglich. Ohne Verapamil konnte sie
Dominique nicht helfen, in welcher Lage er sich auch immer befand. Wenn sie
wieder klar denken konnte, würde ihr schon etwas einfallen. So war es
schlieÃlich immer gewesen.
Als sie eine Dreiviertelstunde und zwei Verapamil später vor
Kenterisâ Haus ankam, musste sie sich dennoch erneut an diese Professionalität
erinnern. Seufzend raffte sie sich auf und betrachtete die Situation, so
nüchtern sie konnte: Die Villa sah von auÃen unversehrt aus, es gab keine Anzeichen
einer Explosion. Um einen Menschen durch eine Bombe komplett zu zerfetzen,
brauchte man allerdings noch lange nicht das ganze Stockwerk zu sprengen.
Wieder einmal die Arbeit eines Profis.
Als sie zum Absperrband der Polizei trat und ihren Namen nannte,
wurde sie vom leitenden Ermittler begrüÃt, als wären sie alte Bekannte. Dabei
ging ihr ein Stich durchs Herz. Es musste Dominiques Vorarbeit gestern gewesen
sein, die ihr diesen Empfang bereitete, und sie lieà ihn schamlos im Stich.
»Meinen Sie, Sie könnten mir den Tatort zeigen?« Seine
Freundlichkeit führte automatisch zu einem dezenteren Auftreten ihrerseits. Er
konnte und hielt das Absperrband für sie nach oben. Als Solveigh die Villa
betrat, verflog das anfängliche Gefühl von Normalität binnen Sekunden. Die
Explosion lag noch schwer in der Luft. In der Küche kümmerte sich eine
Polizeipsychologin um die Ehefrau des Opfers. Solveigh inspizierte zunächst die
Arbeit der Spurensicherung im ersten Stock, die einen ordentlichen Eindruck
machte. Sie waren sich bereits sicher, dass es Semtex gewesen sein musste und
dass die Bombe entweder gestern oder heute Morgen zwischen 8 und 10 Uhr gelegt
worden war, während die Hausherrin Einkäufe erledigte. Solveigh war alles in
allem zufrieden, machte dem Leiter der Truppe aber einige Vorschläge zur
Erweiterung ihrer Suchparameter: Zigarettenkippen, Untersuchung der Drähte in
der Alarmanlage als Quelle für Fingerabdrücke. Der Beamte quittierte ihre
Anfrage mit hochgezogenen Augenbrauen, stellte ihre Kompetenz aber nicht
infrage. Wer hinter die Absperrung kam, war einer von ihnen. Vielleicht fand er
ihre Vorschläge ja durchaus sinnvoll, hoffte Solveigh, jedoch machte sie sich
wenig Hoffnung, dass sie etwas wirklich Erhellendes zutage fördern würden.
Explosionen galten nicht gerade als Paradies für Forensiker. Thanatos
hinterlieà keine Fingerabdrücke und machte auch keine Anfängerfehler. Das hatte
er bei über zwanzig Anschlägen zuvor nicht getan, und das würde hier nicht
anders sein. Die Forensik hatten sie in Paris erledigt, jetzt galt es, ihn zu
finden. Denn dann fanden sie auch Dominique, davon war sie überzeugt.
Im Erdgeschoss erkundigte sie sich bei der Psychologin, ob die
Ehefrau vernehmungsfähig war; sie gab ihr fünf Minuten. Von einer Sekunde auf
die andere existierte für Solveigh nur noch die trauernde Witwe. Sie
überspielte ihre sonst eher raubeinige Art.
»Frau Kenteris, es tut mir schrecklich leid.«
Die Frau nickte zaghaft. Ihr tränenüberströmtes Gesicht war blass,
die Augen rot gerändert. Sie hielt ihr Kind umklammert, streichelte ihm immer
wieder über die Schulter, es hielt sie beide aufrecht in diesem Moment.
»Das ist aber ein hübsches Mädchen. Wie alt ist sie?«, fragte
Solveigh, obwohl sie die Antwort aus dem Dossier kannte.
»Anderthalb«, schluchzte sie.
»Frau Kenteris, es ist sehr wichtig
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