Operation Cyborg
hatte er einen guten Überblick über den gesamten Platz an der sogenannten Bockenheimer Warte und er könnte 'Jazz' entdecken, bevor sie ihn sah. Im Falle eines Falles wäre es eventuell möglich, dann immer noch unbemerkt zu verschwinden. Weil es so voll war, wurde er auch in den ersten Minuten von keiner Bedienung belästigt und so genoß es Tom, einfach nur in der Sonne zu sitzen und die vorbeiflanierenden Menschen zu beobachten. Lief dort vorne nicht Stine? Mit leicht schräg gelegtem Kopf beobachtete Tom versonnen die blonde Studentin aus Oslo, die in Frankfurt Politologie studierte. Hübsches Ding, dachte er und grinste dümmlich.
»Bist du Tom Sanders?«, schreckte ihn eine Frauenstimme auf.
Er sah hoch und erblickte ... 'Jazz'!
Verdammt, von wo war die denn jetzt so plötzlich gekommen. Er richtete sich auf und musterte sie verdutzt. Sie sah exakt so aus wie auf dem Bild. Nein nicht ganz. Sie sah noch viel besser aus. Sie war der Wahnsinn!
Er schätzte, daß sie etwa 1,65m groß war. Sie wirkte jünger als 23, hatte eine tolle Figur und ihr Gesicht war noch hübscher, als es das Foto in ihrem Profil angedeutet hatte. Sie trug ein enganliegendes, grünes Top und eine dunkle Stoffhose, die in braunen, fast kniehohen Stiefeln steckte. Ein Rucksack hing an ihrem Rücken. Aber etwas an ihrer Erscheinung stimmte nicht. Die Kleidung schien irgendwie unmodisch und unliebsam zusammengestückelt. Und ihr Gesichtsausdruck wirkte auf verstörende Weise ausdruckslos – maskenhaft. Das eigentlich verwirrende aber war, daß sie ihn mit seinem richtigen Namen angesprochen hatte. Woher kannte sie ihn?
»Bist du Tom Sanders?«, wiederholte sie ihre Frage und sie hielt ihren Kopf dabei so seltsam nach vorne gestreckt. Ihre Augen fixierten ihn auf beängstigende Weise.
»Woher... woher kennst du meinen Namen?« stammelte Tom verwundert.
Ihr Kopf zuckte unmerklich zur Seite, als er antwortete, aber ihre Augen waren weiter fest auf ihn gerichtet.
Was dann geschah, sollte Toms Leben auf drastische Weise für immer verändern.
*
Mit Schwung flog die Tür seines Büros auf und die Jalousie schepperte an der Scheibe. Hans Lang zuckte erschrocken zusammen.
»Verdammt Toni! Ich habe dir schon tausendmal gesagt, daß du nicht immer wie ein italienischer Stier in mein Büro stürmen sollst«, schnauzte Lang den dunkelhaarigen, gutaussehenden Mann an, der nun aufgeregt vor seinem Schreibtisch stand.
»Isch weiß, Scheffe«, sagte Toni Marcello und machte eine für Italiener typische Handbewegung.
»Ich hoffe es ist wichtig«, betonte Lang genervt.
»Sie werden es nicht glauben Boß«, sagte Toni, nun in akzentfreiem Deutsch. »Wir haben Severin.«
Lang sprang von seinem Bürostuhl auf und mehrere Akten fielen von einem Stapel und landeten neben dem Schreibtisch. Zwei oder drei weitere würden in Kürze hinterherrutschen.
»Sag das nochmal«, brachte Lang verdutzt hervor.
»Wir haben ihn«, sagte Toni und zwinkerte.
»Na nun erzähl schon. Ihr habt ihn festgenommen oder was?«, wollte Lang ungeduldig wissen,
»Nein das nun nicht«, antwortete Toni und Lang zog ein ärgerliches Gesicht. Wenn das nur ein Scherz war, dann...
»Wir verzeichnen einen unmaskierten Zugriff auf den russischen Content Server, den wir hochgenommen und präpariert haben«, sprach Toni weiter.
»Was? Wirklich?«, Lang bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie schon nach so wenigen Stunden mit ihrer Maßnahme Erfolg haben sollten.
»Tja, eine IP aus Deutschland pingt den Server ständig an und versucht, mit Tacker.C zu kommunizieren«, erklärte Toni. »Siggi ist gerade dabei, die Verbindung zu 'tracen'. Kommen Sie.«
Zusammen verließen Lang und Toni das Büro. Sie gingen ein Stockwerk tiefer zu 'Siggi' und 'Jimbo', den beiden Cyberratten ihrer Abteilung. Lang ignorierte den Mief in dem abgedunkelten Büro und ging schnurstracks zum Arbeitsplatz von Sigmar Westermann. Auch Jimbo, der eigentlich Lukas Zumbroke hieß, stand dort und starrte fasziniert auf den Bildschirm.
»Der Typ muß auf Droge sein«, sagte Siggi ohne aufzublicken. »Der benutzt eine nicht getunnelte Verbindung. Aber es kann sich nur um Severin handeln. Sehen Sie«, Siggi zeigte auf seinen Bildschirm. In einem geöffneten Fenster war eine virtuelle Desktopumgebung zu sehen, auf der ein Portscanner lief. »Das sind genau die Ports, die Tacker.C am häufigsten benutzt und wir haben mal die Daten, die gesendet werden, abgegriffen und
Weitere Kostenlose Bücher