Operation Cyborg
Er war nicht gewillt, Markus – einfach so – seine Sahnestückchen auf einem Silbertablett zu servieren. Zum einen, weil er es schlicht und ergreifend nicht einsah, Programmcode weiterzugeben, an dem er so lange und hart gearbeitet hatte. Und zum anderen, weil es riskant war, gerade diesen Code preiszugeben, denn es könnte ihn eventuell als Autor von Tacker.C enttarnen. Also antwortete er auf Markus' Fragen nur mit ganz allgemein gehaltenen Erklärungen oder flüchtete sich in Ausreden, daß er dieses oder jenes auch nicht so genau wüßte. Markus wurde sichtbar ungeduldig, aber Tom ließ sich nicht beirren.
Was Tom jedoch nicht bemerkte war, daß Markus in gleichem Maße wütend wurde. Hielt Tom ihn für einen kompletten Idioten? Markus war sich sicher, daß Tom ihm spielend hätte helfen können. Er verbarg etwas vor ihm und Markus war besessen davon, es herauszufinden. Markus hatte Tom einmal beim Programmieren beobachtet. Schon der kurze Blick über die Schulter hatte ihm ziemlich genialen Code offenbart. Und daß Tom sein Laptop schnell zuklappte, als er Markus hinter sich bemerkte, hatte seine Neugierde geweckt. Vor fast einem halben Jahr hatte er es geschafft, sich das Login von Toms Laptop zu erschleichen. Dummerweise kam er an jenem Tag aber nicht mehr dazu, dies auszunutzen. Dann waren Semesterferien in denen er Tom partout nicht zu einem Treffen hatte überreden können. Und seit Semesterbeginn hatte er Tom irgendwie immer verfehlt.
Markus wußte natürlich, daß Tom ihn nicht wirklich mochte, aber das war ihm egal. Alle hielten Tom für ein Computergenie und die Verehrung, die ihm die anderen Informatikstudenten entgegenbrachten kotzte Markus an. Der Neid fraß ihn regelrecht auf. Er hielt sich selbst für einen versierten Hacker und allein die Tatsache, daß er es geschafft hatte, mit einem simplen Keylogger an Toms Passwort zu gelangen, war Markus Beweis genug, daß auch er was drauf hatte. Wenn er doch nur einmal die Chance bekäme, unbeobachtet an Toms Laptop zu kommen!
Und diese Gelegenheit sollte sich ihm bieten. Wie auf Bestellung öffnete sich die Tür und Werner Lohmeier betrat mit forschem Schritt den Raum.
Tom stöhnte leise auf und verdrehte die Augen, doch er hatte keine Chance mehr, sich noch unter dem Tisch zu verstecken. Lohmeier entdeckte ihn augenblicklich und kam zu ihm herüber. Tom bereute spätestens jetzt, überhaupt an die Uni gegangen zu sein.
»Herr Sanders, welche Ehre«, kommentierte Professor Lohmeier gekünstelt freundlich das Aufeinandertreffen. Oh je, der war wirklich geladen, dachte sich Tom.
»Herr Lohmeier. Zu Ihnen wollte ich auch noch kommen«, sagte Tom und lächelte scheinheilig. Der kleine Informatikprofessor mit dem ergrauten Minipli und dem Kinnbart baute sich breitbeinig vor Toms Tisch auf, stemmte die Hände die Hüften und wollte mit seiner Standpauke anfangen. Doch noch während er den Mund öffnete, kam ihm Tom zuvor.
»Ich habe da noch ein paar Fragen. Sie wissen schon, wegen meiner Hausarbeit und wegen des Referats«, meinte Tom und grinste entwaffnend. Erstaunlicherweise schien es zu wirken.
»Hört, hört!«, schnaubte Lohmeier verächtlich. »Immerhin. Es ist Ihnen also nicht entfallen, daß Sie mir diese Hausarbeit und das Referat schuldig sind, Sanders und zwar irgendwann vor meiner Pensionierung. Wenn Sie nicht ein so talentierter Bursche wären, hätte ich Sie längst stante pede aus meinem Seminar hinauskomplimentiert«, sprach der Professor gewohnt umständlich. »Na schön, kommen Sie, wir gehen in mein Büro und sprechen darüber«, fügte er ein wenig freundlicher hinzu.
Tom wollte gerade sein Laptop vom Netzwerk abziehen und es herunterfahren, da blaffte Lohmeier ihn schon wieder an.
»Ich warte keine weitere Sekunde auf Sie Sanders. Mitkommen! Subito!«
Tom klappte schnell sein Laptop zu und folgte Lohmeier, der im Sturmschritt in Richtung seines Büros ging, das man über eine Tür im hinteren Teil des Rechnerraums erreichen konnte.
Während Tom die Scharade um seine Hausarbeit gekonnt in Lohmeiers Büro weiterspielte, sah Markus seine Chance endlich gekommen. Er blickte sich verstohlen im Rechnerraum um, dann rückte er seinen Stuhl ganz in die Nähe von Toms Laptop und klappte es wie beiläufig auf. Der Bildschirm wurde aktiviert und eine Passwortabfrage poppte auf. Markus hatte erwartet, daß Tom seinen Rechner vor Zugriff sperren würde. Gespannt tippte er das erschlichene Passwort ein. Es funktionierte!
Ein
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