Operation Cyborg
Großteil der Anlagen wurde auch nach dem Zusammenbruch des Ostblocks weiter gewartet und instand gehalten. In den Regionen, die S.net mit Atomwaffen angriff, hat zwar so gut wie niemand überlebt – da halfen auch keine alten Atomschutzbunker – aber außerhalb der Großstädte retteten diese Anlagen einem Teil der Bevölkerung das Leben.«
»Wieviele Menschen in Deutschland überlebten überhaupt diese Katastrophe«, fragte Tom plötzlich. Ihm wurde mit wachsendem Entsetzen klar, daß die von Magnus geschilderten Ereignisse alles und jeden auf diesem Planeten betrafen – eben auch das Land in dem er lebte. Ereigneten sich sonst irgendwelche Katastrophen, geschah das normalerweise immer nur in Regionen, die weit, weit entfernt waren!
»Insgesamt konnte langfristig etwa 3,5% der deutschen Bevölkerung überleben«, antwortete Magnus.
»3,5% der Bevölkerung nur«, Tom stöhnte.
»Mehr, als in anderen Teilen Europas«, sagte Magnus und schwieg einen Moment. Tom blickte schockiert ins Nichts, während Magnus fortfuhr.
»Im Laufe der Zeit versammelten sich die Reste der europäischen Bevölkerung hier in Deutschland und unterstützten den Widerstand im Kampf. Und diese Unterstützung war bitter nötig. Alleine hätten es die Deutschen nicht geschafft, den Krieg so lange zu führen denn die Schlachten gegen die Roboterwaffen waren brutal und verlustreich. Aber wir Menschen sind zäh, anpassungsfähig und einfallsreich. Wir lieferte S.nets Tötungsmaschinen einen heftigen Kampf. S.nets Waffen waren zwar groß und mächtig – riesige stählerne Killer mit enormer Feuerkraft – aber gleichwohl schwerfällig, unflexibel und unökonomisch. Als S.net erkannte, daß nicht Größe und Feuerkraft allein entscheidend sein würden, änderte es seine Taktik. Es analysierte, daß es uns Menschen am effektivsten mit humanoiden Kampfmaschinen bekämpfen könnte – gleiches mit gleichem. So erschuf S.net die ersten Roboter der T-Serie. Doch auch diese frühen Modelle erwiesen sich nicht als ausgereift genug, um der Menschheit den Rest zu geben. Irgendwann begann S.net, gezielt Menschen gefangen zu nehmen und sie in Arbeitslagern zu untersuchen und zu analysieren. S.net wollte die menschliche Existenz in all seiner Komplexität begreifen, um sie besser vernichten zu können. Ein Ergebnis der Untersuchung war, daß S.net begriff, wie sehr die Kampfkraft des Widerstands von der Stärke, Weitsicht und Entschlossenheit ihrer Anführer oder einzelner Persönlichkeiten abhing. So kam es schließlich, unter anderem, zu der Entwicklung der 800er Serie Cyborgs. Diese waren nicht nur als Kampfeinheiten effektiv. Sie wurden hauptsächlich entworfen, um als Infiltrationseinheiten eingesetzt zu werden. Wie erwähnt waren sie rein äußerlich kaum vom Menschen zu unterscheiden. Als Saboteure oder Attentäter sollten sie sich unter uns Menschen mischen, um zum Beispiel wichtige Persönlichkeiten des Widerstands zu eliminieren.«
»Aber warum ich?«, fragte Tom unvermittelt. »Warum will S.net mich töten?«
»Du bist der Anführer des deutschen Widerstands und du warst es auch, der mich hierher geschickt hat«, antwortete Magnus.
Diese Erklärung konnte Tom an der ganzen Geschichte am allerwenigsten glauben. Zeit seines Lebens hatte er sich um kaum mehr als sich selbst gekümmert. Als seine Eltern bei einem Verkehrsunfall starben, war er gerade mal 12 Jahre alt gewesen. Auf eigenen Wunsch ging er ins Heim. Mit seiner Verwandtschaft hatte er gebrochen, als diese sich noch über dem Grab seiner Eltern um das Erbe stritten. Er hatte sich von allen abgekapselt und auch in der Schule blieb er stets der klassische und unbeliebte Einzelgänger. Erst seit er studierte und vor allem seit er bei Nina in die WG gezogen war, hatte er sich aus seinem Schneckenhaus ein wenig herausbegeben. Das hatte aber an seiner Einstellung, sich primär um sich selbst zu kümmern, recht wenig geändert. Und ausgerechnet er sollte in der Zukunft Anführer von irgendwelchen postnuklearen Kriegern und Cyberpunks sein? Lächerlich!
Magnus sah, wie Tom nachdenklich vor sich hinstarrte. Anscheinend hatte er die Geschichte geschluckt – größtenteils zumindest. Und es hatte besser geklappt als das Tom Sanders aus der Zukunft befürchtet hatte.
»Was würde es denn ändern, wenn das Mäd... der Cyborg mich heute getötet hätte?«, fragte Tom schließlich mit leiser Stimme. »Gibt es denn keinen anderen, der den Widerstand führen könnte?«
»Das schon, aber
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