Operation Cyborg
wahrscheinlich hätte niemand THOR vollendet«, sagte Magnus kryptisch.
Was bitteschön sollte THOR denn nun wieder sein, dachte Tom und sah Magnus stirnrunzelnd an.
»THOR«, beantwortete Magnus die unausgesprochene Frage, »ist eine KI, die den Menschen im Kampf gegen S.net hilft. THOR war ein Projekt des deutschen Militärs. Auch die Deutschen versuchten sich wie die Amerikaner an einer KI, allerdings stoppte man das Projekt kurz vor seiner Beendigung, angeblich aus finanziellen Gründen. Trotzdem löschte man das scheinbar unvollendete Computersystem nicht, oder ließ es in irgendeinem Lager verschwinden, denn es überdauerte erstaunlicherweise den Atomschlag und den darauffolgenden Krieg – in einem alten Bunker. Genauer gesagt, in der Computeranlage eines Bundeswehr Kommandobunkers. Wir wissen nicht warum, aber ein kluger Kopf muß ihn in weiser Voraussicht rechtzeitig dort auf das Rechnersystem hochgeladen haben. Dort zumindest fanden wir THOR. Du hast die KI weiterentwickelt und THOR zu einem wichtigen Verbündeten gemacht, der uns im Kampf gegen S.net unterstützt.«
»Daß eine solche Anlage einer Künstlichen Intelligenz – sozusagen – das Überleben sichert ist schon kurios. Aber inwiefern war dieses Computersystem in der Lage, den Widerstand zu unterstützen?«
»Mit Hilfe von THOR konnten wir zum Beispiel den Widerstand organisieren. THOR betreibt ein Telekommunikationsnetzwerk, half beim Bau von Waffenfabrikationsanlagen und unterstützt uns in allen kriegstaktischen Bereichen«, erklärte Magnus. »Auch auf virtueller Ebene schaffte es THOR, S.net zu behindern und zu sabotieren. Hätte S.net dich heute getötet und THOR wäre nicht weiterentwickelt und unser Verbündeter worden – der europäische Widerstand wäre quasi hilflos gewesen. Zumindest glaubt S.net das. Und ich denke das auch. Aber wichtiger noch. Du selbst bist wohl davon überzeugt, denn nur deshalb hast du mich aus der Zukunft geschickt, damit ich dich hier und heute beschützen kann.«
»Seit wann bist du hier – also in meiner Zeit?«, wollte Tom wissen, nachdem er eine Weile stumm gegrübelt hatte.
»Seit gestern«, antwortete Magnus.
Tom begann allmählich tatsächlich, der abstrusen Geschichte von Magnus Glauben zu schenken. Alles was er erzählte und erklärte, brachte er mit einer solchen Überzeugung hervor – die Ausführungen konnten kaum einer frei erfunden Geschichte entsprungen sein. Das gewichtigste Argument jedoch war nach wie vor Toms Internetbekanntschaft, die ihn aus heiterem Himmel hatte töten wollen und dabei noch immun gegen Pistolenkugeln war ... und außerdem einen Schädel aus Stahl besaß, ergänzte er in Gedanken.
Eine Sache aber war trotzdem unlogisch. Schon eine Weile nagte ein Gedanke in Toms Schädel und endlich wußte er, was an Magnus' Geschichte nicht zusammenpassen wollte.
»Wenn S.net einen Cyborg durch die Zeit geschickt hat um mich zu töten, wie konnte ich dann jemanden schicken, der mich beschützen soll? Wäre ich nicht in dem Moment tot, als der Cyborg von S.net auf die Reise geschickt wurde?«, formulierte Tom seine Frage sorgfältig.
»Der Cyborg hat es nicht geschafft, dich zu töten.«
»Ja sicher, aber nur weil du da warst«, entgegnete Tom.
»Nein. Der Cyborg hat auch ohne mich versagt. Dein zukünftiges Ich hat uns die Geschichte oft genug erzählt. Am 11. Juli 2007 hatte dich der Cyborg angegriffen. Du warst zunächst entkommen, aber der Cyborg spürte dich im Keller deines Wohnhauses auf. Als er auf dich schoß erwischte der Cyborg unter anderem die Gasleitungen, löste dadurch einen Brand aus und jagte damit den halben Block in die Luft. Der Cyborg wurde vernichtet und du schwer verletzt. Diese Verletzungen haben dich entstellt und Zeit deines Lebens stark beeinträchtigt. Die Behinderung hat dir die Arbeit an THOR sehr erschwert und nur deinem eisernen Willen war es zu verdanken, daß du all die Strapazen überstehen und dazu noch den Widerstand führen konntest. Als du später erkanntest, daß dein Attentäter ein Cyborg gewesen sein mußte, den S.net in die Vergangenheit geschickt hatte, warst du förmlich besessen, S.net nicht nur zu bekämpfen sondern vor allem die Zeitmaschine zu finden um die Vergangenheit gerade zu biegen.«
Tom runzelte die Stirn, als er über diesen Teil der Geschichte nachdachte. Ihm behagte der Gedanke gar nicht, daß er in dieser Version der Zukunft eine Art postapokalyptischer Kapitän Ahab gewesen sein soll, der nun in die
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