Operation Cyborg
ihn am Kragen gepackt und ebenfalls durch den Flur geschleudert, als wäre er aus Pappe. Krachend landete er neben seinem Kollegen, der noch immer mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden kauerte.
Nur wenige Sekunden waren seit ihrem Auftauchen vergangen und schon lagen beide Beamte, Schulter an Schulter, kampfunfähig auf dem Boden. Besiegt von einer jungen Frau! Die zierliche Person bückte sich und hob die Waffen der beiden Beamten auf.
Erst jetzt erkannte Lang, daß ihr Gesicht schlimme Verletzungen aufwies, die notdürftig überschminkt waren. Ihre Kleidung und ihr ganzes Äußeres wirkte, als hätte sie sich in einem Feuer gewälzt. Und noch etwas anderes, fürchterliches erblickten die beiden Beamten. Es zog ihren Blick magisch an, so daß sie zunächst gar nicht wahrnahmen, wie das Mädchen die beiden Waffen auf ihre ehemaligen Besitzer richtete.
»Nein«, ertönte ein lauter Schrei aus dem Hintergrund. Das Mädchen schien zu gehorchen, denn sie drückte nicht ab. Lang hielt unmerklich die Luft an. Er wußte, daß ihr beider Leben gerade an einem seidenen Faden hing. Ein junger Mann mit schwarzen Haaren trat in den Flur neben das Mädchen und blickte ihr flehend ins Gesicht.
»Du darfst sie nicht erschießen!«
»Sie sind eine Gefahr für uns«, sagte das Mädchen ruhig und ohne erkennbare Emotion. Das kurze Gefecht hatte sie nichteinmal ansatzweise aus der Puste gebracht.
»Du darfst sie nicht töten«, wiederholte der junge Mann leise. »Bitte!«
Stumm sah das Mädchen auf die beiden Männer herab und ihre hellblauen Augen blickten kalt. Noch immer senkte sie die Waffen nicht. Lang starrte erschrocken zurück doch seine Augen waren wieder auf die Stelle an ihrem Oberarm gerichtet. Hier klaffte eine tiefe, fast faustgroße häßliche Wunde. Doch kein Knochen waren zu sehen, sondern Metallgestänge und etwas, daß aussah wie der Teil eines Kolbens.
»Folgen Sie uns nicht. Und kreuzen Sie nicht noch einmal unseren Weg«, sprach das Mädchen und ihre Stimme klang bedrohlich. Dann senkte sie endlich die Waffen. Der stählerne Kolben in ihrem Oberarm bewegte sich leicht auseinander. Toni und Lang atmeten leise aus. Noch immer waren sie paralysiert und wie in Trance war ihr Blick auf die gruselige Erscheinung vor ihnen im Flur geheftet. Das Mädchen wendete sich dem jungen Mann zu, der bleich vor Schrecken neben ihr an der Wand lehnte und sagte:
»Und du kommst jetzt besser mit mir, wenn du leben willst.«
*
Keine 36 Stunden nach dem Amoklauf an der Frankfurter Universität wurde der Fall auch schon wieder zu den Akten gelegt. Der Ablauf der tragischen Ereignisse war soweit rekonstruiert, daß der schreibwütigen Presse eine offizielle Version geliefert werden konnte, die sie der sensationsverwöhnten, aber schnell gelangweilten Öffentlichkeit schleunigst präsentierte.
Der als Amokläufer titulierte, unidentifizierte Mann nordeuropäischer Herkunft, war am Dienstag Nachmittag mit einer Handfeuerwaffe auf den Vorplatz eines Cafés an der Frankfurter Universität gestürmt. Dort schoß er auf die Gäste, verletzte drei von ihnen leicht, tötete aber glücklicherweise niemanden. Dann nahm er einen gewissen Tom S. als Geisel und verschleppte ihn zu dessen Wohnung, möglicherweise um sich dort zu verschanzen. Dort traf er jedoch auf den WG Mitbewohner von S., den Studenten Frederik K.. Es muß zu einem heftigen Kampf gekommen sein, in dessen Verlauf der Amokläufer K. tötete, indem er ihn mit dem Knauf seiner Waffe niederschlug. K. stürzte so unglücklich, daß er sich das Genick brach.
Der Amokschütze floh daraufhin mit seiner Geisel in einem gestohlenen Fahrzeug, nachdem er auch in der Kiesstraße unkontrolliert um sich schoß. Im Industriegebiet von Eschborn deckte er sich in einem Baumarkt mit Utensilien ein, die er höchstwahrscheinlich für den Bau von Bomben nutzen wollte. Seine Geisel begleitete ihn, vermutlich durch eine verdeckte Waffe bedroht. Im Baumarkt wurde der Amokschütze von Kunden und Angestellten erkannt, die daraufhin die Polizei informierten. Mit seiner Geisel suchte er abermals sein Heil in der Flucht. In die Enge getrieben, entschloß sich der Amokschütze, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Er steuerte das entwendete Fahrzeug in eine Tankstelle hinein, rammte eine Zapfsäule und löste dadurch einen verheerenden Brand aus, bei dem er, seine Geisel sowie möglicherweise eine weitere Person starben.
Zwar konnte man nur die Überreste des Amokschützen bergen und
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